Beitrag von Frank Ebbinghaus
Auf in den Kampf, Pigott-Wein und zeig, was Du drauf hast! Auf dieses Kräftemessen hast Du gewartet: 29 der besten trockenen 2009er Rieslinge waren beim Berlin Riesling Cup angetreten, um die Nummer 1 zu küren. Und Du als Pirat mit dabei.
Die Auswahl hatte Blogger und Wein-Aficionado Martin Zwick zusammengestellt. Und Joel Payne, Herausgeber des Gault-Millau-Weinguides, gab vorab seinen höchsten Segen: Diese Auswahl sei identisch mit dem Weinguide-Finale um den besten trockenen Weißwein 2009. Was beinahe einer Überflüssigkeitserklärung dieser Hochglanz-Weinbibel gleichkommt. Und zugleich einige bedauerliche Auslassungen dokumentiert: Weder die sehr eindrucksvollen trockenen Top-Weine von Heymann-Löwenstein, Clemens Busch oder Forstmeister Geltz-Zilliken (mit dem „Rausch Großes Gewächs“ und dem nicht ganz trockenen „Rausch Diabas“ glückten zwei grandiose Saar-Schönheiten) schafften den Sprung in diese erlesene Runde. Noch gar die ausgezeichneten Großen Gewächse (GG) von Fürst, Horst Sauer oder Fürst Löwenstein, die ihre funkelnden Schätze erst nach jahrelanger Lagerung offenbaren.
So blieb es beim Kreis der üblichen Verdächtigen, den nur der sehr junge Julian Haart mit seinem herrlichen, fruchtig-charmanten „Goldtröpfchen Laychen“ sprengte. Erwartbar war ferner die notorische Rheinhessen-Dominanz mit gleich vier Weinen vom Weingut Keller. Allen voran der G-Max als Sieger des Abends, ein Wein von majestätischer Eleganz und Gelassenheit mit noch recht wilden Gär-Aromen – ohne Zweifel ein großes Meisterwerk. Überhaupt zeichnen sich die größten trockenen Rieslinge des Jahrgangs durch eine atemberaubende Eleganz aus. Was in Anbetracht der hohen Reife der 2009er umso bemerkenswerter ist. Deutet sich hier ein erfreulicher Stil-Wandel an? Beste Beispiele waren der ungemein fokussierte Prälat von Dr. Loosen, dessen schwelgerische Pfirsich-Aprikosen-Frucht durch eine massive Mineralität perfekt zusammengehalten wird, der sanfte, alle Aromen noch zügelnde Alte Reben „La Borne“ von Wittmann oder das „Hermannshöhle GG“ von Dönnhoff, das ebenso wie Emrich-Schönlebers großer „Halenberg GG“ seine wunderbare Ausgewogenheit erst in einigen Jahren zeigen wird. Völlig aus dem Rahmen fiel dagegen der 2009 „Berg Schlossberg“ von Georg Breuer, der mir mit seinen Brausepulvernoten und seiner blanken, fast übermächtigen Mineralität ein bisschen zu intensiv geraten war.
Und als am Ende die Kräfte der Testrunde zu erlahmen drohten, kam für den Pigott-Wein der Moment der Wahrheit. Leider war die Karaffe etwas zu warm geworden und der zuvor ausgeschenkte sehr zitronige Langenmorgen vom Weingut von Winning machte den reichlichen Alkohol des Pigott-Weins allzu schmeckbar. Gleichwohl hielt die mineralische, an Grauburgunder erinnernde Würze alles in feiner Balance und glich auch das gewisse Säuredefizit dieser Rebsorte gegenüber dem Riesling bestens aus. Gegen die größten Tropfen des Abends konnte der Pigott-Wein jedoch wenig ausrichten. Aber gegenüber dem breiten Mittelfeld (das ja ebenfalls die Spitzenklasse des trockenen deutschen Rieslings darstellt) fiel er auch nicht dramatisch ab.
Sehr bemerkenswert waren die ersten Reaktionen. Sie reichten von „großer Stoff“, „spielt hier Beethoven auf oder doch Bach?“, der Mutmaßung, einen großen Riesling des Pfälzer Weinguts Koehler-Ruprecht im Glas zu haben, über „der krasseste Wein“ und „spannend“, bis zu „good but not great“, „zu schnapsig“ und „der schlechteste Wein“. War also alles dabei. Als dann das Geheimnis gelüftet wurde, wirkte mancher zuvor Begeisterte peinlich berührt: Müller-Thurgau! Pigott! Bloß kein Wort zu viel. Und der Pigott-Wein landete auf dem letzten Platz, aber auf Tuchfühlung mit sehr respektierlichen Gewächsen wie Schloss Johannisbergs „Silberlack“ und Reinhold Haarts „Goldtröpfchen GG“. Nun war es nie Stuarts Anspruch, einen Siegerwein zu erzeugen. Sondern den Beweis zu erbringen, dass die Mega-Out- und Superbillig-Rebsorte Müller-Thurgau große Weine hervorbringen und mit Großen Gewächsen mithalten kann. Was dann doch zu beweisen war!