Es ist kein Drama, dass das Weingut Dönnhoff (Oberhausen/Nahe) vom Gault Millau Weinguide abgestuft worden ist und nun nach dessen Lesart nicht mehr zu den weltbesten Weinerzeugern zählt. Ein Weinführer, der so fett geworden ist wie die Weine, die man nicht mehr mag, braucht die Polarisierung in diesen, für das Printgeschäft sicherlich nicht ganz einfachen Zeiten mehr denn je als Marketinginstrument. Besonnene Winzer wie die Dönnhoffs (abgebildet oben ist Helmut Dönnhoff) wissen das, halten Abstand und bleiben ansonsten hoffentlich ihrer Linie treu.
Ich selbst hätte davon gar nichts mitbekommen, wenn Stuart nicht so fulminant gegen diese Entscheidung Stellung bezogen hätte. Eine gute Gelegenheit also für eine Begegnung mit aktuellen Dönnhoff-Weinen.
Zunächst gestehe ich gerne, ein großer Dönnhoff-Fan zu sein, genauer: gewesen zu sein. Denn ich mag die Dönnhoff-Rieslinge gerne gereift, habe früher viel gekauft und weil ich einige Flaschen im Keller habe, beachtete ich die jüngeren Jahrgänge immer weniger. Ich behaupte: Nicht weil sie mir nicht gefielen, sondern im Gegenteil: Das Qualitätsniveau erschien mir jedes Jahr zuverlässig so immens hoch, dass ich die Weine blind hätte kaufen können. Hinzu kam: Die Spitzenrieslinge sind in der Jugend oft eher unauffällig – Ausnahmen stellen die Goldkapsel-Auslesen oder die legendären Eisweine dar, die wahre Aromen-Explosionen verursachen können. Unauffällig heißt: Es sind ruhige, selbstbewusste Persönlichkeiten, denen jede Aufgeregtheit abgeht. Modische Spontistinker, die Wildheit suggerieren, sucht man hier vergebens. Alles Vordergründige meiden sie. Anders gesagt: Sie können in der Jugend durchaus vergleichsweise etwas langweilig wirken. Aber der Schein trügt.
Bei den diversen Casting-Shows unter dem Motto „Deutschland sucht das Super GG des Jahrgangs“ fallen Dönnhoffs trockene Spitzenrieslinge stets durch vornehme Zurückhaltung auf. Als sei ihnen der Rummel öffentlicher Vorführung zuwider.
Ihre Stunde schlägt nach mindestens acht bis zehn Jahren (die der rest- und edelsüßen Rieslinge noch später), wenn sie ihre Finesse und ihren großen Schatz an Mineralien ausspielen. Aber auch dann geht ihnen alles Laute ab. Sie verlangen Hinwendung und Konzentration. Wer dazu bereit ist, wird mit einer atemberaubenden Tiefe und Eleganz belohnt, die zu einem Markenzeichen der Dönnhoff-Weine geworden ist. Und mehr noch: Das Weingut Dönnhoff hat auch einen typischen Stil für die Nahe (mit)geprägt, moselanische Finesse mit etwas mehr Kraft und steiniger Mineralität, wie sie auch den Rieslingen des Weinguts Emrich-Schönleber (Monzingen/Nahe) eigen sind.
Wenn ich sage, dass ich die Dönnhoff-Rieslinge gerne gereift trinke, dann heißt das, dass ich die jungen Spitzenweine meide. Nicht, weil ich sie nicht mag, sondern weil ich finde, dass es Verschwendung ist, jetzt aktuelle Jahrgänge der Großen Gewächse in sich hinein zu schütten. Aber von einer 1995er Spätlese oder Auslese, der 2001er Hermannshöhle Spätlese trocken oder ihrem Pendant aus dem Jahrgang 2002 kann ich nicht lassen. Das ist für mich ein Inbegriff großer deutscher Rieslinge.
Nun könnte man einwenden, dass meine Unterlassung bezüglich jüngerer Dönnhoff-Jahrgänge (abgebildet links ist Cornelius Dönnhoff, der Sohn von Helmut, der seit 2007 für den Keller verantwortlich ist) entgegen meinen Beteuerungen und Bekenntnissen vielleicht doch auf eine Abkühlung meiner Leidenschaft deuten könnten, ähnlich dem Befund des Gault Millau Weinguide.
Wäre möglich. Zumal ich mit dem Jahrgang 2011 in der Tat Probleme hatte. Die GG aus dem Dellchen und der Hermannshöhle waren mir zu reif und zu kraftvoll (und zu weit weg vom klassischen, filigranen Dönnhoff-Stil), einen restsüßen Riesling Kabinett (Lage vergessen) empfand ich als zu fett. Aber ich hatte für diese Stichprobe sehr ungünstige Momente gewählt: Die Weine waren viel zu warm, die Probe noch gar nicht eröffnet. Und zumindest dem 2011 Hermannshöhle GG habe ich sofort zugestanden, dass es ein großer Wein ist (auch wenn mir der Stil damals nicht zu 100% zusagte).
Genauso flüchtig probierte ich im September bei der GG-Premiere in Berlin das 2013 Hermannshöhle GG und war mir sofort sicher, dass dies einer der größten trockenen Rieslinge des Jahrgangs ist. Genauer: Ein wahrhaft großer trockener Riesling aus einem schwierigen Jahrgang.
Jetzt wollte ich es genau wissen und habe die Hermannshöhle Riesling GG’s der Jahrgänge 2012 und 2013 über einen Zeitraum von neun Tage parallel probiert.
Ich war stark beeindruckt. Beide Weine strahlen eine Frische und Eleganz, Tiefe und Harmonie aus, die ihresgleichen sucht. Sie zeigten über neun Tage keine Ermüdungserscheinungen, entwickeln über ihre mineralische Säure enormen Zug und zeigen mit angedeuteten Aromen von Tabak, gelben Früchten, grüner Banane und etwas Rauch, dass man sich in ein paar Jahren noch auf vieles mehr freuen kann. Eine feine Phenolik verleiht beiden Wein Grip.
Das 2012 Hermannshölhe GG hat 13,5% Alkohol (wie das von mir seinerzeit wenig goutierte Pendant aus 2011), der etwas herausschmeckt. Aber der allgemeine Eindruck kühler Frische ist so überwältigend, dass das kein Problem sein dürfte. Überhaupt wirkt dieser Wein im Wortsinn wie in Stein gemeißelt, dabei recht verschlossen, aber kein bisschen angestrengt oder anstrengend. Das 2013 Hermannshöhle GG mit 13 % Alkohol wirkt dank seiner leicht traubigen Frucht im Moment zugänglicher. Aber auch hier wird Geduld in einigen Jahren gewiss reich belohnt.
Was mich auch an diesen Dönnhoff-Weinen sehr beeindruckt, ist dieser völlig unkapriziöse, geradezu schlichte Gestus, mit dem sich ihre Größe und Komplexität mitteilen. Diese schwer zu beschreibende Eigenschaft (sie erinnert mich an Menschen höchster geistiger und charakterlicher Bildung, deren Auftritt dank eines Selbstbewusstseins, das sich in völligem Einklang mit der Welt weiß, größte Natürlichkeit ausstrahlt und deshalb so eindrucksvoll wirkt) verbindet sie mit den größten Weinen dieser Welt, die ich bisher trinken durfte.