DER 2013 RIESLING GG-SHITSTORM von Stuart Pigott
Wie so oft in unsere Welt geht es auch auf dem Planeten Wein manchmal gleichzeitig um eine Sache selbst und um ganz andere Dinge. Zweifelsohne haben viele der trockenen 2013er „Große Gewächse“ (GGs) von den Mitgliedern des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) gerade ein wohl verdiente Kritik geerntet. Leider gibt es unter der neuen Elite des trockenen deutschen Weißweins in diesem Jahrgang eine ganz Reihe schwacher Weine und einige schwer enttäuschende Gewächse für Preise jenseits von 30 Euro. Das wurde so laut gesagt und so deutlich geschrieben, dass kaum ein weininteressierter Mensch in Deutschland es nicht mitbekommen hat. Die Weinkritik wurde seit Jahren für tot erklärt, aber jetzt wirkt sie plötzlich verdammt lebendig und tatkräftig!
Beim Wein gibt es die gleiche erbarmungslose Regel wie bei allen anderen Luxusgütern: je größer die Kluft zwischen den Qualitätsversicherungen eines Produzenten und den wahren Eigenschaften seines Produkts, desto heftiger fällt der kritische Rückstoß aus. Manchmal muss man lange auf diese Reaktion warten, bei den 2013er GGs ging es jedoch sehr schnell. Seit der ersten offiziellen Präsentation der Weine Ende August in Wiesbaden wurde die Quittung für die Selbstgefälligkeit des VDP geliefert. Jetzt herrscht gar ein Shitstorm um die kritisierten Weine.
Aber jede Story hat eine Backstory, und die Backstory zu den 2013er GGs liefern die GGs aus den Jahrgängen 2012 und 2011. Das waren allgemein zwei sehr gute Jahrgänge für den deutschen Weißwein (aber auch für den deutschen Rotwein), und viele GGs beider Jahrgänge wurden zu Recht bejubelt. Zwar gerieten die sehr kräftigen und konzentrierten 2011er durch die sehr charmanten und eleganten 2012er ein wenig in den Hintergrund, aber wenn die besten 2011er ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben, wird ihre wahre Größe nicht mehr abzustreiten sein. Zwei tolle Jahrgänge in Folge führten aber bei Kritikern wie Konsumenten zu einem gesteigerten Bedürfnis nach kritischen Worten. Sie waren also ein Nebenprodukt der Lobeshymnen über diese Weine. Oder ist es wirklich realistisch, dass jeder Jahrgang den Vorgänger übertrifft? Für manche Weinfachleute und Weinfreaks kamen die 2013er Weine wie gerufen zum pauschalen Schlachten: weg damit!
Mit den Jahrgängen 2011 und 2012 tischten die Mitglieder des VDP eine nie zuvor erreichte Zahl von sehr beeindruckende trockenen Weißweinen auf. Damit legten sie die Messlatte für die 2013er Weine sehr hoch, wobei viele der VDP-Winzer selber hätten merken müssen, dass die 2013er nicht immer die nötige Qualität und Eigenart für GG haben. Aber nun hatte man die GG als neue, teure Produkte erfolgreich am Markt eingeführt und viele Kunden heiß darauf gemacht. Jetzt wollte man unbedingt schnell einen Nachfolger liefern können, damit die Erfolgsgeschichte nicht abreisst. Dabei wurde oftmals zu sehr auf die Ausdrucksstärke (Terroir muss sein!) des Weins geachtet ohne Rücksicht auf seine Harmonie. Damit haben diese Winzer den Kritikern die Munition zugespielt und den Shitstorm förmlich herbeigerufen.
Wer Geduld hat und die Entwicklung der besseren, aber noch unfertig schmeckenden 2013er GGs lange genug verfolgt, wird feststellen, dass in ihnen eine Menge Substanz steckt. Wie die Weine des ähnlich strukturierten, aber nicht ganz so ausdrucksstarken Jahrgangs 2008, werden sich die besten Weine aus 2013 sehr gut auf der Flasche entwickeln. Hier denke ich vor allem an die Weine von Gut Hermannsberg in Niederhausen und Schäfer-Fröhlich in Bockenau (beide Nahe) oder an Wittmann in Westhofen/Rheinhessen. Das sind Langläufer-Weine, die momentan noch etwas ruppig daher kommen. Bis sie sich beruhigt und harmonisiert haben wird sich der Markt schon mit den 2014er Weinen beschäftigen. Diese 2013er Weine waren für manche Kritiker einfach Stinker, auch wenn vor ein oder zwei Jahre das gleiche Aroma als „Sponti“ (ein Zeichen der Spontangärung ohne zugesetzte Hefe) gefeiert wurde. Genauso geht es mit dem mineralisch-säurebetonten Geschmacksfinale vieler Weine, eine Eigenschaft, die als Zeichen von Authentizität häufig angepriesen wurde, aber jetzt manchmal geradezu verdammt wird, weil sie doch ein wenig aggressiv wirkt.
Der Jahrgang 2013 legt sehr deutlich eine Spaltung innerhalb des VDPs bloß. Ein Flügel vermarktet unter dem Namen „Großes Gewächs“ (im positiven Sinne) fruchtbetonte Weine, die eine gewisse Fülle mit einer ansprechenden Frische vereinen. Ein andere Flügel bietet möglichst langlebige Weine mit starkem Terroir-Charakter unter der gleiche Bezeichnung, wobei diese Winzer einige unattraktive Noten (Stichwort Reduktion, das Gegenteil von Oxidation) in der Jungend des Weins (jünger als zwei bis drei Jahre) in Kauf nehmen, weil sie ihre Weine auf eine optimale Entfaltung nach fünf bis 15 Jahren Lagerzeit und darüber hinaus konzipieren. Über einige unharmonische, säuredominanten 2013er GGs hatte ich bereits ausführlich geschrieben – sie sind hier nicht gemeint.
Zum Glück gibt es eine Reihe VDP-Weingüter, deren 2013er GGs schon jetzt genug Charme aufweisen, um heute mit Genuss getrunken zu werden, die aber auch über genug Rückgrat verfügen, um sich viele Jahre sich fortentwickeln zu können. Hier eine Liste von den Gütern, wo alles stimmt.
Fritz Haag in Brauneberg/Mosel
Reinhold Haart in Piesport/Mosel
Dr. Loosen in Bernkastel/Mosel
Heymann-Löwenstein in Winngen/Terrassenmosel
Dönnhoff in Oberhausen/Nahe
Emrich-Schönleber in Monzingen/Nahe
Franz Künstler in Hochheim/Rheingau
Achim von Oetinger in Erbach/Rheingau
Fred Prinz in Hallgarten/Rheingau
Robert Weil in Kiedrich/Rheingau
Kühling-Gillot in Bodenheim/Rheinhessen
Winter in Dittelsheim-Hessloch
Acham-Magin in Forst/Pfalz
Pfeffingen in Bad Dürkheim/Pfalz
Dr. Wehrheim in Birkweiler/Pfalz
Hans Wirsching in Iphofen/Franken