Weintelegramm 42

Nach siebenstündiger Bahnfahrt stand ich gestern Abend kurz vor 22 Uhr vor dem Rüdesheimer Bahnhof im Schnee und stellte fest, dass es weit und breit kein Taxi gab. +++ Mein ganzes Gepäck (die Wochen-Wäsche eines Studenten!) musste ich durch die verschneite Stadt schleppen, aber solche Anstrengungen sind mein Weinbaustudium in Geisenheim wert. +++ Oft überraschen mich Studenten, die vom Alter her meine Kinder sein könnten, mit ihrer positiven Energie. +++ Nachdem ich z.B. der Studentengruppe, die die Dienstags-Verkostung „Jamsessions“ veranstaltet, von der selbstverliebten Präsentation des „Gault Millau WeinGuide 2009“ am letzten Mittwoch in Mainz (siehe letztes Weintelegramm) erzählte, haben sie mir ganz klar gesagt: „Klingt grässlich, aber es ist wichtig, dass es den ´Gault Millau WeinGuide´ gibt.“ +++ Unter diesen Studenten waren einige, deren Familienweingüter vom „Gault Millau“ unterbewertet wurden, und andere, deren Weinqualität von dem Guide komplett ignoriert wurde! +++ Wo findet man solch einen Großmut und eine Souveränität unter uns Weinjournalisten? +++ Deshalb ist es befreiend, hier zu sein, und lauter Winzer zu entdecken, die sonst auf dem Radarschirm der Weinmedien maximal als winzige Punkte erscheinen. +++ Vor eine Woche bei Petra Grünewald in Eltville habe ich Kiki Simon und die Weine der Gebrüder Simon in Lösnich/Mosel (www.gebrueder-simon.de) kennengelernt. +++ Ich hätte nie gedacht, dass Blanc de Noir von Spätburgunder von der Mosel solch ein saftig-eleganter trockener Wein sein könnte wie der 2007 DER GEBRÜDER SIMON. +++ Am Schluss probierten wir noch ihre 2007 ERDENER TREPPCHEN SPÄTLESE mit ausgeprägter Kräuterwürze und geradezu erotisch anmutender Saftigkeit. +++ Wenn ich Punkte vergeben könnte, dann bekäme er viele, kostet aber nur 9 Euro. +++ „Winkt die erste Traube?“, schreibt der „Gault Millau“ über das Gut gönnerhaft, aber was gönnen sie solchen unbekannten Winzern wirklich?

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