2006er Herzstück Riesling
Nichts in die Weinwelt ist statisch, sondern alles befindet sich in ständiger Bewegung. Was die Qualität betrifft, gibt es keinen Stillstand, bzw. keine Konstanz. Spiralförmig bewegt sich hier alles entweder in einer Teufelsspirale nach unten, oder die Qualitätsspirale dreht sich nach oben. Dieses Bild habe ich in Wein spricht deutsch für die Terrassenmosel verwendet, weil dieses Gebiet vor nur wenigen Jahren eine dramatische Kehrtwendung zum Positiven hinlegte, als sich dank Reinhard Löwenstein vom Weingut Heymann-Löwenstein in Winningen (www.heymann-loewenstein.com) und Ulrich Franzen vom Weingut Reinhold Franzen in Bremm (www.weingut-franzen.de) eine ganz neue Art des herben Mosel-Rieslings entwickelte: großzugig, vielschichtig und ungemein würzig-mineralisch.
Zuerst sah es aus, als ob diese Entwicklung die benachbarte Mittelmosel gar nicht beeinflussen würde, auch weil dort die großen Riesling-Weine seit langem eine gewisse natürliche Süße besitzen. Aber dieser erste Eindruck war trügerisch, weil einige neue Erzeuger an der Mittelmosel, wie das Weingut Kirsten in Klüsserath (www.weingut-kirsten.de), schon dabei waren, neuartige trockene Moselweine zu entwickeln, die auf ähnlicher Wellenlinie wie Löwenstein und Franzen liegen. Die Weine von Bernhard Kirsten und Inge von Geldern aus den letzten Jahrgängen sind im konservativen Mittelmosel-Kontext geradezu revolutionär, wie ihr 2006er Herzstück Riesling (12 Euro ab Hof, ein wenig mehr im Handel) zeigt. Kräftig und konzentriert – seine 13,3 Volumenprozent Alkohol trägt dieser Wein mit links – mit üppigen exotischen Fruchtnoten, aber auch mit einer nachhaltigen mineralischen Frische ist dieser Weine so weit wie nur irgend möglich von den schmalen, saueren, trockenen „Möselchen“ der Vergangenheit entfernt.
PS Bei der großen Wein spricht deutsch-Veranstaltung in Rüsselsheim am Sonntag, den 7. Oktober (Danke an Herrn Jansen von der Bücherstube für den riesigen Aufwand!), hat mich die sich ständig bewegende Weinwelt wieder überrascht. Bis dahin glaubte ich, mit 13,3 Volumenprozent Alkohol sei das zumutbare Maximum für einen Mosel-Riesling erreicht. Der 2006er Josephshöfer Großes Gewächs von Weingut Reichsgraf von Kesselstatt (www.kesselstatt.com) aber verfügt über ganze 14,1 Volumenprozent Alkohol. Dieser Wein besitzt zwar eine barocke Opulenz, aber auch eine sehr überzeugende Harmonie. Die Erfahrung lehrt, dass solche Weine sich mit den Jahren verschlanken, statt auseinander zu gehen. Man muss nur Geduld haben. Herzstück und Josephshöfer werden ihren Babyspeck abwerfen und sich in elegante Giganten verwandeln!
Weingut: Weingut Kirsten/Klüsserath