„Ich würde deine Reben nicht schneiden, bevor du gesehen hast, wie viele Augen überlebt haben“, riet mir Dr. Randolf Kauer mit ernstem Ton im Hörsaal 20 der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim. ++++ Das kann man einfach feststellen, indem man das Rebholz schneidet, es in warmes Wasser stellt und abwartet, wie viele Augen dann tatsächlich austreiben. ++++ Um noch genauer den Zustand der einzelnen Augen einzuschätzen zu können, kann man sie aufschneiden und unter dem Mikroskop untersuchen. ++++ Kauers Angst ist dem härtesten Frost seit langen in vielen deutschen Weinanbaugebieten geschuldet. +++ So fiel das Thermometer beispielsweise in der Nacht vom 6. auf 7. Januar in Rüdesheim, wo ich unter der Woche wohne, auf minus 13 Grad Celsius – im wenige Kilometer entfernten Hallgarten sogar auf minus 17 Grad.+++ Meine Müller-Thurgau-Reben stehen im fränkischen Teil des Taubertals (siehe Telegramm Nr. 37). +++ Franken und das Taubertal haben den Ruf, besonders frostgefährdet zu sein, und Müller-Thurgau ist eine besonders frostempfindliche Rebsorte. +++ Endlich ist die Kältephase vorbei, und voller Angst habe ich Christian Stahl vom Winzerhof Stahl in Auenhofen angerufen. +++ Von ihm habe ich die Reben gepachtet, und in seinem Keller werde ich den Wein ausbauen – falls es überhaupt Trauben gibt. +++ „In Tauberzell war es nicht kälter als minus 15 Grad, und es war im Weinberg wahrscheinlich nicht ganz so kalt wie im Ort“, sagte er voller Zuversicht. +++ „Dagegen gab es an manchen Orten im Großraum Würzburg minus 22 Grad!“+++ In Randersacker/Franken hat Stahl Silvanerreben angebaut, aus denen er einige geniale 2007er erzeugt hat, aber wie viel er davon 2009 lesen wird, ist ungewiss. +++ „Es gab aber einen langsamen Temperaturabfall, und die Rebe übersteht das viel besser, als einen plötzlichen Temperatursturz“, sagt Stahl. +++ „Die Skipisten sind auch im Sommer immer wieder grün – vielleicht auch mein Reben.“