Weintelegramm 53

„Bist du völlig bescheuert?“, fragte ich mich, als ich um 9 Uhr morgens im Schneesturm zusammen mit Christian und Simone Stahl, ihrem Außenbetriebsleiter, dem rätselhaften „Dr.“, und ihrem ungarischen Mitarbeiter Hunor in Richtung Weinberg losfuhr. +++ „Das einzige Problem ist überhaupt die Straße zu erkennen!“, sagte ich zu Christian, als wir uns nur mühsam fortbewegten. +++ „Ich kann mich erinnern, dass es hier eine Straße gab!“, antwortete er ironisch. +++ Nachdem wir mit viel Geschick und etwas Glück im Tauberzeller Hasennestle angekommen waren, ließ der Schnee etwas nach, und ich konnte meinen zweiten Rebschnitt-Tag beginnen. +++ Reben bei minus 2,5 Grad Celsius auf einen 68 Prozent steilen Hang schneiden, klingt wie eine Reise durch die Eishölle, aber trotz der körperlichen Anstrengung war es eine vergnügliche, fast meditative Arbeit. +++ Mein Kampf mit dem Manuskript meines neuen Buches habe ich dabei komplett vergessen! +++ Als wir mittags bei Stahls saßen und der „Wein spricht deutsch“-Fotograf Andreas Durst (der inzwischen von Christian „Thirsty Andy“ umgetauft wurde) dazu stieß, wurde die Sache deutlich bunter. +++ Am Nachmittag bin ich lange vor seiner Kamera herumgerutscht und hatte das Gefühl nichts zu schaffen, aber dann um 17 Uhr habe ich mit Riesenfreude festgestellt, dass ich am nächsten Tag nur noch eine Zeile zu schneiden habe. +++ Jetzt sitze ich am Esstisch im Hause Stahl und erinnere mich an das „Wein Lab 3“ vor einer Woche in Hammers Weinbar in Berlin, wo wir viele spannende und einige geniale ältere trockene Rieslinge kosteten. +++ Die 1983ER RIESLING SPÄTLESE TROCKEN von WEINGUT J.B. BECKER in Walluf/Rheingau war wahnsinnig stark, bzw. mit ihren gut 25 Jahren noch elegant and charaktervoll. +++ Wenn mein Weinbau-Experiment gelingt, dann werde ich von meinem Wein auch ein paar Kisten weglegen in der Hoffnung, dass längere Flaschenreife ihm gut tut. +++ Aber zuerst muss ich so gut im Weinberg arbeiten, dass meine Trauben einen mindestens so guten Wein wie den trockenen 2008 FEDERSTAHL MÜLLER-THURGAU von WINZERHOF STAHL ergeben. +++ Er steht jetzt vor mir im Glas, Metallica hämmert aus den Lautsprechen und Essensgerüche aus der Küche strömen zu mir herüber. +++ Bitte beten, dass sich die Sonne an meinem letzten Rebschnitt-Rebschnitt sehen lässt und es nicht noch eine riesige Ladung Schnee gibt!

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