Spannend wie ein Krimi war für mich heute die Vorlesung von Prof. Dr. Hans R. Schultz an der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim/Rheingau, als er meine Vorstellung vom Rotweinanbau demontierte und sie durch eine völlig andere ersetzte. +++ Ich war mir sicher – wie viele Fachleute sich immer noch sicher sind –, dass der entscheidende Faktor) bei Rotweintrauben für die Bildung von Tannine und Farbe (Anthocyane das Licht ist. +++ Deswegen werden auch in diesem Jahr Tausende Hektar Weinberge in Deutschland entblättert, bzw. die Blätter um die Trauben frühzeitig entfernt. +++ Laut Schultz ist das aber sinnlos (außer es besteht eine große Botrytis-Gefahr). +++ Das Problem ist, dass die Temperatur der wichtigste Faktor für die Farbstoffbildung ist, und Licht auf den Trauben zu Wärme führt, aber zu warme Temperaturen dieses Prozess negativ beeinflussen. +++ In Deutschland wird sehr häufig die Entblätterung der Ertragsreduzierung vorgezogen, weil sie angeblich ohne Mengenverluste die Farbstoffbildung fördert. +++ Die Forschungsergebnisse aber zeigen, dass das ein Holzweg ist, bzw. dass die Entblätterung zu keine Steigerung des Farb- oder Tanningehalts der Trauben führt. +++ Durch die Ertragsreduzierung von 8000 auf 3000 Liter pro Hektar wird dagegen nicht nur die Farbstoffkonzentration in den Spätburgunder-Trauben um bis zu 300 Prozent gesteigert, sondern auch eine enorme Zunahme der Tanningehalt! +++ Das ergibt einen ganz anderen Wein und erklärt, warum die extreme Niedrigertragspolitik von Erzeugern wie DOMAINE LEROY in Vosne-Romanée/Burgund oder AUGUST KESSLER in Assmannshausen/Rheingau (ums Eck von meinem Schreibtisch in Rüdesheim) Sinn macht. +++ Jetzt habe ich gigantische Lust auf Rotweinanbau bekommen, muss aber morgen nach Franken fahren, um meinen Weinberg, in dem weiße Müller-Thurgau-Trauben (hoffentlich) reifen werden, zu pflügen +++ Mist? +++ Nein! +++ In den sechs Monaten seit ich hier bin habe ich einen ganz anderen Bezug zu Reben und Boden bekommen – auch zu „meinen“ Reben. +++ Wir gehören zusammen!