Weintelegramm 88

Bekanntermaßen darf man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, aber genau das garantiert viele der spannendsten Weinvergleiche. +++ Wie letzten Samstagabend dank der Experimentierfreude von Weinfachmann und Weinfanatiker Patrick Schenk in Olivers Restaurant (Weinhaus Moselschild/Ürzig). +++ Er hatte eine Reihe äußerst unkonventioneller Weinkombinationen, z.B. den 2000 FINCA DOFI, ein massiver Rotwein von Alvaro Palacios in Priorat/Spanien, und die edelsüße 1993 ERDENER PRÄLAT AUSLESE *** von Weingut Jos. Christoffel jr. aus der unmittelbaren Nähe des Restaurants, zusammengestellt, die für allgemeine Verblüffung sorgten. +++ Die erste Überraschung war, dass diese alkoholarme Auslese nicht von der enorm gerbstofflastigen Alkoholbombe Finca Dofi weggefegt wurde. +++ Noch erstaunlicher schmeckte dieser Äpfel-Birnen-Vergleich, nachdem Koch Oliver Probst Gänserleber mit Feigen und Datteln servierte. +++ Plötzlich waren die Gerbstoffe des Rotweins geschmeidig statt wuchtig und der Riesling schmeckte deutliche herber, ohne seinen Reiz zu verlieren. +++ Erstaunlich ähnlich konzentriert-elegant wirkten der 1998 DOM MAXIMIANO von Errazuriz in Aconcaguatal/Chile und der 1994 PIESPORTER GOLDTRÖPFCHEN RIESLING AUSLESE von Reinhold Haart aus dem Moseltal; mit geschmorter Hasenkeule und getrüffelten Sellerieravioli eine doppelte Sensation! +++ Gestern stand dann „Wein Lab 5“ bei Hammers Weinkostbar in Berlin (www.hammers-wein.de) mit dem Thema Rotweincuvées auf dem Programm.+++ Eine unglaublich heterogene Mischung von Rotweinen kam auf den Tisch, von üppigem Châteauneuf-du-Pape bis zu leichtem deutschen Cabernet-Merlot. +++ Der 2005 CLOS DU ROUGE GORGE aus dem Roussillon war ein erstaunlich schlanker, herber und mineralischer Wein angesichts seiner Herkunft aus dem heißen Süden Frankreichs.+++ „Sehr schöne Saftigkeit!“, kommentierte Billy Wagner, Sommelier der Weinbar Rutz an der Chauseestraße/Mitte. +++ Am Anfang stank der Wein etwas nach H2S, aber das verflog schnell, so dass es aus meiner Sicht kein Problem darstellte. +++ Manche jungen Moselrieslinge können ähnliche Noten aufweisen, und ich möchte nicht eine Regel für Äpfel und eine andere für Birnen anwenden. +++ Ohne Stinker, aber sonst durchaus verwandt zeigte sich der 2006 POEIRA aus dem Dourotal/Portugal von Jorge Moreira. +++ Trotz 14,5 Volumenprozent Alkohol schmeckte der Wein filigran und frisch, ja finessenreich; für mich der beste Wein des Abends. +++ Spannend war der Vergleich mit anderen Weinen, die den gleichen Alkoholgehalt aufwiesen, wie der wuchtige und recht weiche 2006 IMPERIAL von Schloss Halbturn in Burgenland/Österreich und der üppige und enorm süßliche 2004 HERÈNCIA DEL PADRI aus Priorat/Spanien; zwei gnadenlose Klopper. +++ „Ich trinke solche Weine nie, deswegen habe ich ihn mitgebracht“, sagte Karl-Heinz Gierling zum Priorat-Monster. +++ So geht es mir auch. +++ Ich habe meinen Geschmack, strebe aber immer nach Horizonterweiterung.

This entry was posted in Wein Telegramm@de. Bookmark the permalink.