Weintelegramm 75

17:56 Uhr, Brücke 10 am Hamburger Hafen. +++ Ich frage Ralf Bos von Bos Food/Düsseldorf, zu welchem Preis er den 2008 „Kraut-Wine“ Riesling trocken von Martin Tesch in Langenlonsheim/Nahe verkauft. +++ Ein bunter Haufen von Menschen sammelt sich um uns, gleich starten wir zum offiziellen Launch des neuen (und bereits umstrittenen Weins) auf der MS Hedi. +++ „Ich habe noch 4 Minuten, um jemanden in der Firma zu erreichen“, sagt er und hat innerhalb einer Minute die Antwort. +++18:02 und wir steigen auf das Tanzboot +++ Rockige Frauen, Rockige Hunde, die Rote Gourmet Fraktion (RGF) und ich im großkarierten Anzug von Vivienne Westwood +++ 18:08 Tesch (wie immer ganz in Schwarz) ist der letzte am Kai, mit dem Handy am Ohr, aber dann taucht endlich Stephan Reinhardt vom Weinwisser auf, der einzige andere Weinjournalist im Boot, und die anderen Gäste, auf die wir gewartet haben. +++ 18:26 auf „hoher See“. +++ Jörg Raufeisen von der RGF verkündet, dass es zum neuen Tesch-Riesling –„custom made“ für die RGF – Fisch geben wird. +++„Die RGF nennen ihr Ding Punk-Rock-Catering, Martin Tesch ist ein Hardrocker, und ich bin ein Hip-Hopper“, erklärt Bos der begeisterten Menge. +++ Der neue Wein fließt, und die Stimmung steigt, aber dann fährt ein Schiff vorbei, und wir geraten etwas ins Schwanken. +++ Der Wein soll den von der RGF bekochten nicht-deutschen Rockmusikern zeigen, dass es auch aus dem Land der Krauts gute Weine gibt, nicht nur aus Südeuropa. +++ Ralf Bos erzählt mir: „Gestern Abend gab es tolle australische Trüffeln, aber dazu mussten wir australischen Chardonnay aus Dosen trinken.“ +++ Die MS Hedi fährt an einem Riesencontainerschiff vorbei, auf dessen Deck die Globalisierungskisten hoch gestapelt sind, und ich bin froh, dass wir Kraut-Wine statt australischen Dosen-Chardonnay trinken! +++ Um mehr über den neuen Tesch-Wein zu erfahren – Geschmack, Preis und den überraschenden historischen Hintergrund –, lesen Sie meine Kolumne in der nächsten Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 16.08. +++

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 75

Weintelegramm 74

Von geplatzten Wirtschaftsblasen hat jeder zur Genüge gehört, aber von der gegenwärtigen Informationsblase hört man gar nichts, obwohl sie gewaltige Dimensionen annimmt und ähnlich gefährlich ist. +++ Information hat Wahrheit schlichtweg ersetzt, fließt jetzt in alle Richtungen und hat fast unsere ganze Welt durchdrungen. +++ Weil wir täglich auf Informationswellen surfen, glauben wir die Kontrolle über dieses Spiel zu haben, aber inzwischen werden wir von einer Informationsflut überrollt, die von niemandem zu bewältigen ist. +++ Hier ein Beispiel: +++ Während der amerikanischen Präsidentschaftskampagne berichteten einige große Fernsehanstalten und Zeitungen, Sarah Palin wisse nicht, dass Afrika ein Kontinent sei. +++ Das hatten sie aus dem Blog eines McCain-Beraters namens Martin Eisenstadt, Mitarbeiter des Harding Institute +++ Dabei gab es nur ein winziges Problem: Weder Eisenstadt noch Harding Institute existierten! +++ Zahlreiche „echte“ Blogger und manche solche Luftschlösser werden von uns und den traditionellen Nachrichtenmedien ernst genommen, nur weil ihre Stimme halbwegs plausibel klingt und sie sich kräftig produzieren. +++ Allein der ununterbrochene Fluss ihrer Kommentare verleiht ihnen Plausibilität, vor allem bei der wachsenden Anzahl von Informationssüchtigen. +++ Bei der Arbeit an meinem gerade fertig gestellten Buch WEIN WEIT WEG habe ich genau das Gegenteil angestrebt, nämlich vor Ort nach der Wahrheit zu suchen und sie dann schriftlich herauszuarbeiten. +++ Wahrheit macht immer Arbeit, insbesondere bei der von mir praktizierten Gonzo-Methode, die vom Journalisten verlangt, so nahe an seine Materie zu kommen, dass er mit ihr eins wird. +++ Im Buch geht es natürlich um Wein, doch das im Kontext der kulturellen und wirtschaftlichen Globalisierung. +++ Die ist gerade dabei, in ihre nächste Phase zu gehen und die uns vertraute Welt völlig auf den Kopf zu stellen. +++ Bloße Information, auch raue Mengen davon, hilft uns nicht, diesen Veränderungen zu begegnen, sondern gaukelt uns eine Vorstellung davon vor, die in etwa so wahrheitsgetreu ist wie die Bilder auf Postkarten.

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 74

Wein des Monats – August 2009

Riesling trocken
2008 RIESLING TROCKEN, € 6,90 vom Weingut Emrich-Schönleber

Wer denkt bei der Erwähnung eines Weins von einem hochkarätigen Spitzenweingut wie Emrich-Schönleber in Monzingen/Nahe nicht: „Das wird aber bestimmt teuer“? Manchmal muss ich meinen eigenen Hang zur Knickrigkeit überwinden, um einen solchen Wein zu bestellen. Dabei denke ich oft: „Hoffentlich ist er gut genug, um den Preis zu rechtfertigen.“ Auch ich kenne die Angst, das Falsche auszuwählen und auf die Schnauze zu fallen.

Wer den 2008 Riesling trocken von Weingut Emrich-Schönleber bestellt, liegt aber alles andere als falsch, außer man mag keine rassigen Rieslinge! Der Wein hat viel mehr Fruchtaromen, Substanz und Brillanz als viele trockene Rieslinge, die unter berühmten Lagennamen zu wesentlich höheren Preisen vermarktet werden und sprengt total den üblichen Rahmen eines „Gutsriesling“. Er hat alle Vorzüge eines hochwertigen Nahe-Rieslings inklusive einer feinen mineralischen Frische.

Dieser Wein muss einfach empfohlen werden, weil man für € 6,90 enorm viel Geschmack bekommt. Wer keine Angst hat, das Doppelte bzw. € 13,- für eine Flasche trockenen Riesling auszugeben, kann diese mineralische Note in noch wesentlich ausgeprägterer Form im 2008 Frühlingsplätzchen Riesling trocken des gleichen Erzeugers erleben. Da schmeckt man die Stärke der Natur und die Einfühlsamkeit der Schönlebers, die sie in der Flasche eingefangen haben; einfach genial!

Weingut: Weingut Emrich-Schönleber

Posted in Wein des Monats@de | Comments Off on Wein des Monats – August 2009

Weintelegramm 73

Viele Weinfreunde glauben, dass der Weinbau etwas Herrliches sei und auch ich bin von der Sache nach wie vor begeistert, aber wie alles hat auch er seine Schattenseiten. +++ Endlich hatte ich meine lange Grippe überstanden und auch die postnatale Schriftsteller-Depression (mein neustes Buch WEIN WEIT WEG wird gerade gedruckt), als ich gestern in meinen Weinberg fuhr und dort einen richtigen Schock erlebte. +++ An einer Stelle „meiner“ Parzelle in der Lage Hasennestle im Taubertal gab es eine recht heftige Peronospera- (Fachbegriff für falscher Mehltau) Infektion. +++ Egal, ob ökologisch oder konventionell, muss jeder Winzer gegen diesen äußerst destruktiven Pilz, oft „Pero“ genannt, regelmäßig spritzen. +++ Mein Verpächter, Christian Stahl von Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken, hat auch tüchtig gespritzt, aber wochenlang herrschten ideale Bedingungen für die Ausbreitung von „Pero“. +++ Schnell habe ich das infizierte Laub entfernt (es waren fast nur Geiztriebe, bzw. Seitentriebe, deren Blätter nicht so kritisch für die Reifung der Trauben sind) und heute haben wir gespritzt. +++ Glücklicherweise hat sich das Wetter zum Trockenen, Sommerlichen hin gewendet, wenn das anhält, wird der Pilz eintrocknen und ich habe noch einmal Schwein gehabt! +++ Die letzte Nacht habe ich ein wirres Zeug geträumt, was vielleicht neben „Pero“ mit dem Stanley-Kubrick-Film „Dr. Seltsam“, den wir gestern Abend angeschaut haben, zu tun hat. +++ Aber vielleicht hat es auch mit dem 2007 LUMP RIESLING GROßES GEWÄCHS von Horst Sauer in Escherndorf/Franken zu tun, den wir getrunken haben. +++ Es war ein heftige Kombination von schattig (der Films handelt von der Weltvernichtung) und sonnig (der Wein hat eine geniale Reife und Feinheit). +++ Christian Stahl bleibt optimistisch, was den kommende Herbst betrifft, regt sich aber etwas über manche Weinjournalisten auf, die schon Prognosen für den Jahrgang 2009 geben. +++ Nach meiner Rechnung habe ich noch mindestens 50 Tage bis zur Lese, und während dieser Zeit kann noch alles mögliche passieren.+++ Mir wäre es viel lieber, wenn mein Wein nach Sonne schmeckt, statt nach Schatten oder „Pero“-bedingte Weltvernichtung! +++ Trotz meiner ganzen Arbeit ist aber nichts sicher, geschweige garantiert!

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 73

Weintelegramm 72

Der Grund für die lange bloggfreie Zeit ist eine heftige Grippe, die mich nach der Fertigstellung von WEIN WEIT WEG wie eine Bombe traf. +++ Nach drei Jahren Arbeit am letzten Band meiner Trilogie zum Thema Wein und Globalisierung waren meine Batterien komplett aufgebraucht, und ich lag eine Woche lang flach. +++ Auf der eine Seite fühle ich mich wie ein Junkie, dem sein Stoff entzogen wurde, auf der anderen bin ich glücklich darüber, dass mir eine Revolution im Weinjournalismus gelungen ist. +++ Wie gelungen WEIN WEIT WEG ist, müssen selbstverständlich andere entscheiden, aber an der Originalität des Werks gibt es nichts zu bezweifeln. +++ In Europa und Nordamerika habe ich die neue Nordgrenze des Weinbaus erforscht und bin dabei einem weißen Loch knapp entkommen. +++ Fast einen Monat lang zog ich quer durch Japan, ohne der Sprache mächtig zu sein, und in China war ich wenige Monate vor der Olympiade im Underground unterwegs. +++ Hinzu kamen drei abenteuerliche Reisen in die ehemalige Sowjetunion inklusive Georgien kurz vor dem Krieg mit Russland. +++ Und, last, but not least, habe ich die „Hobbits“, eine neue Form von Hobbywinzer und Quereinsteiger in Deutschland, unter die Lupe genommen. +++ Alles selbstverständlich nach der Gonzo-Methode, bei der der Journalist versucht, so nah wie nur möglich an den Gegenstand seiner Recherche heran zu kommen. So nahe, bis er nicht mehr zwischen ihm und sich selbst unterscheiden kann. +++ Nicht nur physisch bin ich so sehr weit gekommen, sondern auch kulturell stieß ich dabei in größte Fernen vor. +++ Gerade habe ich die illustrierte Ausgabe von Jules Vernes IN 80 TAGEN UM DIE WELT, die mir meine Tante Barbara vor 44 Jahre schenkte aus dem Bücherregal geholt. +++ Abgesehen vom Suezkanal, der für den Personenverkehr bedeutungslos geworden ist, habe ich alle Stationen von Phileas Foggs Weltreise abgeklappert. +++ Das hat zahlreiche Expeditionen verlangt und mehrmals 80 Tage Reisezeit, aber dadurch bin ich so etwas wie ein Weltbürger geworden. +++ Als ich an meinem fünften Geburtstag das Buch erstmals in der Hand nahm, hätte ich mir das nie vorstellen können. +++ Im September erscheint WEIN WEIT WEG im Scherz Verlag.

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 72

Weintelegramm 71

Wahnsinn! +++ Jetzt hängen Trauben in meinem Weinberg in Tauberzell/Franken, und sie sehen gut aus! +++ Wenn Hagel keinen Strich durch die Rechnung macht, wird es im Herbst ziemlich sicher Wein geben! +++ Im Allgemeinem dauerte die Blüte dieses Jahr recht lange und ging eher schlecht durch (Fachbegriff: Verrieselung). +++ Ich hatte die Trauben aber durch die aufwendige Entfernung von unzähligen Seitentrieben (Fachbegriff: Ausbrechen der Geiztriebe) rechtzeitig frei gestellt, und daher verlief die Blüte bei mir ganz ordentlich. +++ Trotzdem erwarte ich keinesfalls mehr als 50 Hektoliter pro Hektar, bzw. einen Ertrag von 500 bis maximal 650 Kilogramm von etwa 400 Reben. +++ Für die ertragsfreudige Müller-Thurgau-Rebe ist das fast gar nichts! +++ Während meiner letzten Arbeitstage im Weinberg habe ich die Haupttriebe um den obersten Draht gewickelt, um die Triebspitzen nicht abschneiden zu müssen (Fachbegriff: Gipfeln). +++ Die Triebspitzen lenken viel Energie von den Trauben ab, und die Beeren werden daher klein bleiben, was zu gesünderen und aromatischeren Beeren führen soll. +++ Um das zu machen, ohne einen Dschungel um den obersten Draht zu bilden, musste ich wieder sehr viele Geiztriebe entfernen. +++ Wo sich besonders große und kompakte Trauben gebildet haben, habe ich sie „halbiert“. +++ Das bedeutet, die Spitze der Traube abzuschneiden, dann strecken sich die Trauben, werden dadurch lockerer und weniger fäulnisempfindlich. +++ Das verlangte insgesamt zwölf sehr harte Stunden an dem rutschigen 68 Prozent steilen Hang. +++ Davor war ich im Bregenzer Wald bei den Genusstagen, ein außerordentliches Wein- und Gastro-Festival (www.genusstage.com). +++ Der Text meiner Rede zum Thema Wein und Geld ist unter Director’s Cut hier nachzulesen. +++ Da geht es um das große Kartenhaus der Illusionen, aus dem unsere Welt zu einem erschreckend großen Teil besteht. +++ Die Arbeit im Weinberg ist ein erstklassiges Gegenmittel zu dieser fast allgegenwärtigen Illusion. +++ Jetzt sind es voraussichtlich nur noch 75 bis 85 Tage bis zur Lese!

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 71

Weintelegramm 70

Heute muss man keinesfalls Winzersohn oder -tochter sein, um Erfolg als Winzer zu haben. +++ In der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim, wo ich gerade meine zwei Semester als „Gasthörer“ beendet habe, stammen fast die Hälfte der Studenten aus weinbaufremdem Milieu. +++ Schon Anfang der 1990er-Jahre gab es die ersten solcher Studenten, aber ihre Bedeutung wird von manchen Professoren immer noch nicht erkannt. +++ Dass diese Haltung der Realität weit hinterher hinkt, wurde mir bei Shelter Winery in Kenzingen/Baden (www.shelterwinery.de) bewusst. +++ Im Herbst 2003 haben die Geisenheim-Absolventen Silke Wolfe aus Paderborn und Hans-Bert Espe aus dem Harz ihre ersten Trauben verarbeitet und gleich entstand daraus ein neuer genialer Rotwein: SHELTER WINERY PINOT NOIR. +++ Mit seinen feinwürzigen Aromen sowie großzügigen Gerbstoffen und enormer Kraft, ist er Lichtjahre vom üblichen badischen Wein dieser Sorte (auch Spätburgunder genannt) entfernt. +++ Inzwischen hat der Erfolg von Shelter Winery für den Bau eines eigenen Kellers gesorgt, dessen Form dem ursprünglichen Keller – ein „Shelter“, bzw. Bunker für Kampfflugzeuge, auf dem ehemaligen kanadischen Luftstützpunkt Lahr – ähneln wird. +++ Was aus der Not geboren wurde, wird zum ästhetischen Programm. +++ Einen Traktor hat der Betrieb aber immer noch nicht, sondern es wurde ein Bewirtschaftungssystem etabliert, das eigene Handarbeit mit Outsourcing für die Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz kombiniert. +++ Dieser unkonventionelle Weg war möglich, weil im Breisgau die Weinberge sehr günstig sind. +++ Aus der Perspektive des Kaiserstuhls – das etablierte Zentrum des Qualitätsanbaus in Südbaden – ist der Breisgau ein minderwertiges „Heckenland“. +++ Obwohl seit vielen Jahren Bernard Huber in Malterdingen (www.weingut-huber.com) geniale Spätburgunder-Rotweine und eine breite Palette toller Weißweine erzeugt, wird dieser Teil des Gebiets immer noch drastisch unterschätzt. +++ Auch Huber ist kein ganz konventioneller Winzer; 1990 hat er seine erste Weine in einer Garage ausgebaut!

Posted in Wein Telegramm@de | 1 Comment

Wein des Monats – Juli 2009

Silvaner trocken
2007 SILVANER TROCKEN, 4 Euro vom Weingut Knewitz

Wie jung kann ein Jungwinzer sein? Lange hatte ich 20 Jahre als untere Grenze im Kopf. Dass ich neulich in Rheinhessen diese Zahl deutlich nach unten revidieren musste, war an sich keine große Überraschung. In Rheinhessen wimmelt es vor ehrgeizigen Jungwinzern, die so schnell wie nur möglich alles zum Thema Weinbau lernen wollen, und es gibt außerdem ein riesiges Netzwerk unter den jungen und junggebliebenen Winzern des Gebiets, die einander unterstützen.
Tobias Knewitz ist 18 Jahre alt und lernt bei dem erfolgreichen Pfälzer Aufsteiger Philip Kuhn in Laumersheim/Pfalz (www.weingut-philipp-kuhn.de). 2008 hat der junge Knewitz im Appenheimer Familienweingut seine ersten Weine gemacht, und sie sind so gut, dass ich bei einer Blindprobe geschworen hätte, der Verantwortliche müsste schon einige Jahre Erfahrung hinter sich haben!
Sein strahlend-frischer 2008 SILVANER duftet nach gelben Pflaumen und reifen Stachelbeeren, hat gute Substanz aber keinerlei Schwere, geschweige denn die spitze Säure, die quer durch Deutschland viele Weine des Jahrgangs kennzeichnet. Wer es noch charaktervoller und herber mag, dem sei Knewitzs 2008 SILVANER SELECTION aus der Lage Goldberg empfohlen (7,40 Euro ab Hof), der stark vom Kalksteinboden geprägt ist. Ja, 18 Jahre, und schon ein „Terroir-Wein“. Gratulationen!

Weingut: Weingut Knewitz

Posted in Wein des Monats@de | Comments Off on Wein des Monats – Juli 2009

Weintelegramm 69

„Was ist Dein Fazit?“, fragte mich Gerrit Walter, einer meiner neuen Freunde unter den Studenten der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim/Rheingau, gestern Abend auf seiner Geburtstagsparty. +++ Das war eine gute Frage des 22-Jährigen wenige Tage vor dem Abbruch meiner Zelte nach zwei Semester als „Gasthörer“ und der Rückkehr nach Berlin! +++ Obwohl ich bis dahin nur einen einzigen Schluck Sekt im Blut hatte, tat ich mich sehr schwer, eine Antwort auf Gerrits Frage zu finden. +++ Dann platzten die nächsten Studenten in die WG-Küche, und ich war aus dem Schneider. +++ Zusammen bewegten wir uns mit Entschlossenheit in Richtung Tausend Schluck Wein. Den Lemberger- und Spätburgunder-Rotweine folgten trockene Riesling, dann kehrten wir zurück zum Riesling in süß, und, und, und. +++ Jetzt kommt es mir wie ein Wunder vor, dass mein Kopf so klar ist und ich mit etwas Mühe meine gekritzelte Notizen aus den frühen Morgenstunden entziffern kann. +++ Sie geben eine wesentlich bessere Antwort auf Gerrits Frage als meine Worte gestern. +++ Manchmal war es sehr anstrengend alles zu verstehen, aber es gab auch Momente, in denen ich mich mit den Reben identifizierte und meine Trauben langsam reifer und reicher an Inhaltstoffe wurden. +++ Am schönsten waren die Momente, wenn ich den Hörsaal verlies und meine Vorstellung des Weins von dem gerade Gehörtem revolutioniert wurden. Ich sprang dann auf mein Fahrrad, und es gärte in meinem Kopf; unvergessliche Momente! +++ Auf den ersten Blick ging es im Hörsaal immer um die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Wissen, aber oft war das Thema eigentlich die kreativen Möglichkeiten des Weinbaus. +++ Als ich vor wenigen Tage Prof. Hans R. Schultz, den neuen Direktor der FH, dafür dankte, war er sichtlich verblüfft, weil die meisten Studenten nie eine solche Reaktion zeigten. +++ Aber zumindest meine neue Studentenfreunde freuen sich schon darauf, das was sie hier gelernt haben, in den Tat umzusetzen und fortzuentwickeln. +++ Liebe neuen Freunde, ich bin auch am Anfang und suche genauso nach einem Weg, ich fühle mich auch manchmal sehr sicher und bin dann gleich wieder völlig verunsichert. +++ Danke, dass Ihr mich akzeptiert und unterstützt habt, danke für die Flur- und Poolpartys, für die Witze und die Musik, für die Gedanken und die Inspiration. +++ Jetzt lebt der Wein in mir!

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 69

Weintelegramm 68

Bis vor wenigen Stunden war ich auf der dunklen Seite von Planet Geisenheim bei einer nächtlichen Poolparty mit Gestalten, die wie Figuren aus Paul Thomas Andersons Film „Boogie Night“ wirkten. +++ Weil es kein Licht gab, herrschte ein düsteres Schattenspiel, aber die Rauschkulisse war dafür umso prächtiger. +++ Ein Magnum trockener Riesling „Rex“ vom Weingut Safe Sex aus einem nahe liegenden Anbaugebiet kurbelte die Stimmung mächtig an. +++ Es ist eine ganze Weile her, dass ich geschwommen bin und mit viel gutem sächsischen Wein im Blut – danke Maria für der lustige Vorspiel am frühen Abend! – war ich skeptisch, ob es überhaupt funktionieren würde, aber doch! +++ Dann war ich im Kampfspiel einer Seelöwin im schwarzen Bikini definitiv unterlegen und habe den Schleudersitz betätigt. +++ Es scheint viele versteckte Pools in Geisenheim zu geben, und es war wahrscheinlich nicht die einzige geheime Party gestern. +++ „Klausuren?“ +++ Die Boogie-Night-Gestalten von Geisenheim haben sie erfolgreich vergessen, obwohl sie bald mächtig auf dem studentische Tagesprogramm der Fachhochschule für Weinbau stehen werden. +++ „Wirtschaftskrise?“ +++ Ich habe es geschafft, meine laufende Steuerprüfung zu vergessen, was keine Kleinigkeit ist. +++ Die letzten Wochen habe ich mich manchmal gefragt, was ich machen soll, wenn meine eigene Existenz nicht weiter vom Finanzamt anerkannt wird! +++ Der Abend warf aber einen unerwarteten Gewinn ab: Ich kam mit zehn frischen Öko-Eiern im Rücksack nach Hause – danke nochmals Maria! +++ Jetzt bin ich wieder auf der hellen Seite des Planeten, und mit so vielen Eiern im Sack werde ich eine Weile durchhalten. +++ Jetzt sind es nur noch drei Monate, bis mein Buch, woran ich seit drei Jahren arbeite, „Wein Weit Weg“, erscheint. +++ Ich bin gespannt, wie Planet Geisenheim und der Rest der Republik auf diese Erzählungen aus der Weinferne (auch die deutsche Weinferne, bzw. fernab von unseren Erwartungen Punkto Weinbau) reagiert. +++ Sie sind so bunt wie der letzte Nacht war!

Posted in Wein Telegramm@de | Comments Off on Weintelegramm 68