Weintelegramm 83

Sehr geehrter Peter Ramsauer! +++ Gratulationen zur Ernennung zum Bundesverkehrsminister. +++ Ich bin Weinjournalist und keinesfalls Verkehrsexperte, aber ich glaube, einen gesunden Menschenverstand zu besitzen und wirtschaftlichen Unsinn erkennen zu können, vor allem wenn er ein gewaltiges Ausmaß annimmt. +++ Das tut der Hochmoselübergang, bzw. die neue B50, die sich gerade im Bau befindet. +++ Unverständlich ist für mich aus sozialwirtschaftlicher und marktwirtschaftlicher Perspektive, warum der rheinlandpfälzische Ministerpräsident Kurt Beck felsenfest an diesem enorm teuren Projekt klammert. +++ Das zu erwartende Verkehrsaufkommen (Beck spricht von einem LKW-Strom aus Benelux in Richtung des unwirtschaftlichen Flughafens Frankfurt-Hahn, der sich zum guten Teil im Besitz von Rheinlandpfalz befindet) ist viel zu niedrig, um einen Bau von diesen Dimensionen und Kosten zu rechtfertigen. +++ Aus meiner Sicht macht alleine diese Diskrepanz die Brücke zu einem verschwenderischen, ja zu einem absurden Prestige-Projekt. +++ Dass diese Brücke für die einmalige Kulturlandschaft der Mosel einen schweren Schlag bedeutet, macht die Sache keinesfalls besser, auch nicht wirtschaftlich besser. +++ Die landschaftliche Schönheit dieses Gebiets ist ein Teil des Kapitals der dortigen Hoteliers, Gastronomen und Winzer, bzw. einer großen Zahl von Kleinunternehmern und Mittelständlern wird durch den Hochmoselübergang ein erheblich Nachteil erwachsen. +++ Und das gerade jetzt, als sie dabei sind, endlich gut voran zu kommen und ihrem Gebiet eine bessere Zukunft zu bescheren! ++++ Übrigens, gegen große Brücken habe ich prinzipiell nichts. +++ Z.B. gefällt mir die gigantische Stahlbrücke von Eiffel über den Douro im portugiesischen Porto ausgesprochen gut. +++ Der Hochmoselüberhang dagegen ist aber nur ein primitiver Betonklotz im Siebziger-Jahre-Look. +++ Aber nicht nur die Optik ist grauenhaft, sondern die Winzer in Zeltingen, Wehlen, Graach und vielleicht auch Bernkastel befürchten erhebliche Umweltfolgen, die zu ihrem Nachteil gehen werden. +++ Für eine kritische Prüfung dieser Sache wäre ich Ihnen sehr dankbar. +++ Mit freundlichen Grüßen Stuart Pigott

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Weintelegramm 82

Kurz nach 18 Uhr können Sie heute am Montag, den 19. Oktober in der Abendschau des Bayerischen Rundfunks den neuesten Abschnitt meines Weinabenteuers sehen +++ ehrlich gesagt war ich ziemlich baff, als mir Christian Stahl von Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken vor wenigen Tagen am Telefon erzählte, dass mein Wein bereits nach rund zwei Wochen mit der Gärung durch war +++ weil er in einem kleinen Edelstahltank im kühlen »Stahlwerk« (wie Christian seinen neuen Keller nennt) lag und Hefe nur in Form eines Gäransatz – 10 Liter spontangärender Müller-Thurgau aus einem Holzfass von Weingut Luckert in Sulzfeld/Franken – bekam, befürchtete ich, die Gärung könne langsam und schwierig verlaufen +++ noch mehr baff war ich, als Christian mir sagte, während meines unmittelbar bevorstehenden Besuchs würden ein Radio-Reporter, ein Fernsehteam und der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Prof. Dr. Thomas Gruber erscheinen +++ offensichtlich ist der große Gott des Weins doch mächtiger, als ich dachte! +++ das Fernsehteam filmte zuerst mit großer Mühe (rutschen, rutschen, rutschen!) in der 68% steilen Lage Hasennest, wo mein Müller-Thurgau gewachsen ist, meine Demonstration des Rebschnitts +++ es folgte eine Verkostung im Probierraum, bei der ich erfuhr, wie toll sich die 2008er Weine von Winzerhof Stahl in den letzten Wochen entwickelt haben; gut Ding will Weile haben! +++ dann filmten sie, wie Christian und ich mit Hilfe eines von ihm gebastelten »Rüssel« meinen Wein per Falldruck in einen Immervolltank (Fachbegriff für Edelstahltank mit einem Deckel, der auf dem Wein schwimmt, um Sauerstoffkontakt auszuschließen) umzogen +++ dabei duftete der Wein laut Christian »nach Kokos und [Gewürz]Nelken« +++ am Vorabend hatten wir ihn bereits ohne Licht, Ton, Kamera und Aktion verkostet und ich mit großem Staunen festgestellt, dass mein Versuch, einen trockenen Müller-Thurgau von Großem-Gewächs-Format zu erzeugen, anscheinend gelungen ist +++ wie soll ich ihn beschreiben ? +++ Knüllermüllertauberturbo ! +++ und ich behaupte: was ich kann, könnt Ihr auch: Weinbau, yes we can ! +++ dazu gibt’s mehr zu lesen in neues Buch WEIN WEIT WEG

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Weintelegramm 81

Gestern als ich wieder in Geisenheim/Rheingau war, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. +++ Ziemlich genau ein Jahr zuvor bin ich in den Nachbarort Rüdesheim gezogen, um zwei Semester lang als Gasthörer an der Fachhochschule Geisenheim zu studieren +++ Es war ein eine Art Heimatgefühl, das ich gestern empfand. +++ Es bezog sich nicht auf die physische Substanz des Ortes als vielmehr auf den Geist der FH. +++ Mit meinem Freund Helmut Reh (52 und Ex-Physiotherapeut aus Regensburg und jetzt im 5. Semester) habe ich die Weinberge besichtigt, wo ich bis Ende Juni mit Kommilitonen an einem Weinbauprojekt teilnehme. +++ Unser Thema war der biodynamische Weinbau; ein hochaktuelles Thema. +++ Zwei Rebzeilen wurden nur mit „Tees“ bzw. pflanzlichen Extrakten gespritzt. +++ Leider hat Pero (Fachbegriff für Falschen Mehltau) verheerende Schäden verursacht. ++ Die Beeren schmeckten sauer und pelzig. +++ Ein eindrucksvolles Beispiel, wie zu viel Natur für den Wein negativ ist. +++ Deutlich süßer und angenehmer schmeckten die Beeren in den Zeilen, die auch mit dem Ökomittel „Kupfer“ behandelt wurden. +++ Ich wäre gern geblieben, um die Traubenzone zu entblättern (um den Abbau der Apfelsäure zu beschleunigen und die Ausbreitung von Botrytis zu entschleunigen), aber ich musste für Helmut kochen. +++ Ratatouille und Lammkotelett mit einem genialen Rotwein aus der Thermenregion in Österreich, der hochkonzentrierte, gerbstoffgeladene und rassige 2003 ST. LAURENT „GRAND RESERVE von Reinisch. +++ Dann lief ich zurück ins Hotel Central in Rüdesheim und erinnerte mich an zahlreiche Momente der Weinerleuchtung während meines Studiums.

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Wein des Monats – Oktober 2009

Portugieser
2004 Portugieser Rotwein trocken, € 3,50 vom Weingut Michael Teschke

Unmittelbar vor meiner eigenen Weinlese – siehe „Mein Weintelegramm“ besuchte ich den nicht mehr ganz jungen aber ganz schön wilden Winzer Michael Teschke und sein gleichnamiges Weingut in einer der unbekanntesten Ecken Rheinhessens. Hier entdeckte ich – endlich – einen trocknen Rotwein mit einem geradezu sensationellen Preis-Leistungs-Verhältnis für diese Rubrik!

3,50 Euro für Teschkes 2004 Portugieser sind fast absurd günstig, weil es sich um einen perfekt gereiften Rotwein mit einer wunderbaren sanften Wärme von reifen Gerbstoffen, eindeutiger herber Harmonie, überraschender Frische und für sein Alter viel Charakter handelt. Überhaupt gibt es bei den Weinen des Gutes ein Übermaß an Ausdruck und Eigenart, genau wie beim Chef des Hauses. Aber das in rot und trocken zu diesem Preis ist auch im Teschke’schen Sortiment einmalig.

Dieser Wein ist auch eine perfekte Einführung in die beeindruckenden Rotweine aus der Portugieser-Traube, die hier regelmäßig gelingen. Das erfordert viel Arbeit im Weinberg, aber da fühlt sich Teschke förmlich zu Hause. Im Keller hat er in den letzten Jahren immer besser den Ausbau dieser Sorte im Barriquefass gemeistert (bzw. immer weniger neue Eiche eingesetzt), und die nächsten Jahre wird Teschke einige revolutionäre Portugieser auf den Markt bringen, die für Kontroversen sorgen werden. Davon ist dieser Wein ein kleiner Vorgeschmack.

Übrigens: Bei Teschke gibt es eine ganze Reihe von Weinen mit erstklassigem Preis-Leistung-Verhältnis vor allem aus der Sylvaner-Traube. Dieser Schreibweise ist ein typisches Beispiel für das Querdenker des begabten und noch unbekannten Winzers.

Weingut Michael Teschke
Laurenziberg 14
D-55435 Gau-Algesheim/Rheinhessen
Tel: +49 (0) 6725 / 23 31
E-Mail: info@weingut-teschke.de
Internet: www.weingut-teschke.de

Weingut: Weingut Michael Teschke

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Weintelegramm 80

Dem großen Gott des Weins sei Dank: Mein lange Kampf im steilen Weinberg ist erfolgreich abgeschlossen! +++ Die Müller-Thurgau-Trauben aus meinen zehn Rebzeilen in der Lage Tauberzeller Hasennestle im Taubertal wurden gestern gelesen und sind gerade hier beim Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken gekeltert worden. +++ Mit viel versprechendem Ergebnis! +++ Gestern, als ich kurz vor 11 Uhr mit meiner verrückten Lesemannschaft am Fuß des Weinbergs ankam, war ich sofort vom Anblick der weitgehend goldgelben Trauben begeistert. +++ Auch die meisten Botrytis-Beeren (vielleicht ein Drittel der Gesamtmenge) sahen gut aus, aber schnell fand Niko, ein guter Freund aus meinem Weinbau-Studium an der FH Geisenheim/Rheingau, einige Trauben mit Essigfäule. +++ Selbstverständlich entschied ich, streng selektiv zu lesen, um die gesunden und (hoffentlich) edelfaulen Trauben getrennt zu keltern, aber es hat verdammt viel Arbeit gekostet. +++ Sechs Stunden lang kämpften wir den 68% steilen Hang hoch und runter mit nur einer kurzen Verschnauf- und Mittagspause. +++ Einige Journalisten erschienen und beobachteten unsere mühsame Arbeit; Fabian und Cornelius Lange haben auch geholfen (herzlichen Dank!) +++ Ein wenig baff und ziemlich geschafft blickte ich um 17 Uhr auf den fertig gelesenen Weinberg und dachte an meine ersten Rebschnitt-Stunden am 31. Januar. +++ Jetzt hat „Witterung“ eine ganz andere Bedeutung für mich! +++ Eine halbe Stunde später haben wir die Trauben vor Christian Stahls nagelneuem Keller, das „Stahlwerk“, entrappt (Fachbegriff für mechanische Entfernung der Traubenstile) und angequetscht, um die Extraktion von Aromastoffen aus der Beerenhaut zu fördern. +++ Die gesunden Trauben, die mit Abstand größere Menge, hatten ein Mostgewicht von 92 Grad Oechsle; die faulen Trauben 125 Grad Oechsle. +++ Nach 15 Stunden Maischerstandzeit (Fachbegriff für Mazeration von den verarbeiteten Trauben) kamen die zwei Partien heute früh eine nach der anderen auf die Kelter. +++ Zu meinem Erstaunen roch und schmeckte der Most aus den faulen Trauben rein nach Edelfäule, ohne jegliche Spur von Muff oder Essig. +++ Wenn er nach der Klärung durch Absetzenlassen weiter überzeugt, dann kommt er zum Hauptmost dazu und das ganze geht mit rund 100 Grad Oechsle in die Gärung. +++ Dafür hole ich einen Gäransatz (Fachbegriff für einige Liter kräftig gärenden Most) vom Weingut Luckert in Sulzfeld/Franken. +++ Dann wird die Hefe langsam süßen Traubensaft in herben Wein verwandeln. +++ Mehr darüber bald, aber zuerst einen großen Dank an Anja und Vuk aus Berlin, Niko und Gwen aus Rheinhessen, Katharina aus Mainz und Helmut aus Regensburg. +++ Ihr werdet die ersten sein, die (vielleicht im Februar) den Wein verkosten werden!

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Weintelegramm 79

Nur noch eine Woche bis zur Weinlese am 30.09. oder vielmehr voraussichtlich nur noch eine Woche bis zur Weinlese am 30.09. +++ Alles kann jetzt nur voraussichtlich sein, weil sich alles um diesen mit Bleistift geschriebenen Termin dreht! +++ Ich versuche ruhig zu bleiben, aber voraussichtliche Termine machen ein schlechtes Skript und meine Schauspielkunst ist kein Deut besser. +++ Ein ganzes Jahr Arbeit hängt jetzt schließlich vom Wetter ab! +++ Gestern Abend hat mir Christian Stahl vom Winzerhof Stahl, von dem ich die zehn Rebzeilen in der Lage Hasennest an der fränkischen Tauber für ein Jahr gepachtet habe, am Telefon das erste Auftreten von Botrytis (Fachbegriff für Edelfäule) auf meinen Müller-Thurgau-Trauben beschrieben. +++ „Typisch ist ein oder zwei Beeren pro Traube“, sagte er ruhig und gefasst, aber ich war alles andere als ruhig und gefasst. +++ „Soll ich am Donnerstag zu euch kommen und diese Beeren raus schneiden?“, fragte ich ängstlich. +++ „Das bringt vermutlich nichts, schon einen Tag später kann es aussehen, als ob du gar nichts gemacht hast … und das Wetter scheint recht stabil“, antwortete er besänftigend. +++ Eben hat er mir gerade erzählt, er habe seinen eigenen Müller-Thurgau aus dem Hasennest geholt, mit etwa 90 Grad Oechsle und um die 10% sauberer Botrytis, bei mir sehe aber alles noch einen Tick besser aus. +++ Bevor ich Anfang nächste Woche zu den Stahls fahre, stehen noch die großen Veranstaltungen am Freitagabend (25.09) beim Weingut Flick in Flörsheim-Wicker/Rheingau, am Samstagabend (26.09) im Restaurant Calla in Hamburger Steigenberger Hotel und am Montagabend (28.09) in der Weinhalle am Frankfurter Merianplatz zum Erscheinen von WEIN WEIT WEG und dem neuen KLEINEN GENIALEN WEINFÜHRER an. +++ Wie immer, wenn neue Bücher erscheinen, ist die Hölle los, und dieses Jahr ist durch mein Winzerleben alles noch viel extremer. +++ Großer Gott des Weins – lass es bis inklusive nächsten Mittwoch trocken bleiben! +++ Liebe Leserin, lieber Leser – drückt mir die Daumen!

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Weintelegramm 78

„DIE NACHTIGAL IST DER ÜRZ-WÜRZ DER VÖGEL!“, schwärmte eine geistreiche Berliner Freundin meiner Frau neulich, nachdem wir mit ihr eine Flasche Riesling Spätlese aus der berühmten Mosel-Spitzenlage Ürziger Würzgarten leerten. +++ Wir waren nicht nur fassungslos wegen ihrer ungewöhnliche Formulierung, sondern viel mehr wegen ihrer Begeisterung, denn eigentlich trinkt sie nur schwere Rotweine und Champagner. +++ Ich hätte mich nie getraut, einen süßen Weißwein mitzubringen, aber unser Freund, der Berliner Gastronom Roy Metzdorf, hat es einfach getan. +++ Gestern Abend musste ich bei dem „Last Chance Wine Forum“ im Weingut Mönchhof/Ürzig daran denken, weil wir uns versammelten, um gegen die Vernichtung dieses Abschnitts der Mosel zu demonstrieren. +++ Grund ist der Moselhochübergang, eine gigantische (160 Meter hohe und 1,7 Kilometer lange) Betonbrücke, die das Moseltal an ihrer breitesten Stelle zwischen Zeltingen-Rachtig und Ürzig überqueren soll. +++ Dazu kommt eine Zubringerstraße oberhalb von Zeltingen, Wehlen und Graach, die vermutlich den Trockenstress in den Spitzenlagen dieser Gemeinden erheblich steigern wird (parallel zur Klimaerwärmung!). +++ Die Planung dieses Landschaft, Ökologie, Weinbau und Tourismus verachtenden Stück Gigantismus geht zurück auf die 1970er-Jahre, und auch optisch ist es ein katastrophaler Rückfall in dieser ferne Zeit. +++ Offensichtlich haben Politiker und Straßenbauer seitdem nichts gelernt, aber dass ist keine Ausrede für NACHTIGALMORD! +++ Nicht nur bedroht dieses Politikerdenkmal den Qualitätsweinbau an der Mosel, sondern auch den wirtschaftlichen Aufschwung des Gebiets, der sich dank des steigernden Wein-, Wander-, Rad- und Kultur-Tourismus eingestellt hat. +++ Das Schlimmste ist, wie Hugh Johnson in seiner Rede sagte, dass es nicht annährend genug Verkehr gibt, um diesen schon begonnenen Bau zu rechtfertigen! +++ Die Brücke ist wirtschaftlicher Unsinn und damit ein Horror-Beispiel von Schein-Infrastruktur! +++ Um es durchzuboxen, haben die Politiker den Moselaner ein Märchen von der Anbindung an die Welt (vor allem an die wohlhabenden Benelux-Staaten) erzählt. +++ Mit der passive Unterstützung einer zahmen regionalen Presse haben die rheinlandpfälzischen Politiker diese Sache bisher weitgehend von den überregionalen Medien ferngehalten. +++ Jetzt im allerletzten Moment erfährt die Welt, was für ein monumentaler Schwachsinn hier vor sich geht. +++ Nochmals sage ich es laut und deutlich: „Shame on you Mr. Beck!“

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Wein des Monats – September 2009

Riesling
2008 Vom Rotliegenden Riesling, € 6,50 vom Weingut Korrell

„Nach welchen Kriterien wurde der Wein ausgewählt?“, fragte mich die Journalistin, und ich zuckte ein wenig zusammen; die Frage wurde mir gerade zum x-ten mal gestellt. Nichts gegen Stiftung Warentest, die sicher in punkto DVD-Spieler, Waschmaschinen und Klo-Papier eine gute Arbeit leisten, aber beim Wein halte ich aufwendige und halbwissenschaftliche Testverfahren für gänzlich fehl am Platz. Sicher muss der Wein einwandfrei sein, aber er muss vor allem schmecken wie dieser Riesling von Jungwinzer Martin Korrell – einfach wunderbar.

Allein der Duft nach frischen Kräutern und roten Beeren ist berauschend, doch das ist nur der Auftakt zum saftigen und rassigen Geschmack, in dem ein Quäntchen unvergorener Süße wie ein natürlicher Verstärker der Aromen wirkt und das Ganze auf der Zunge zum Tanzen bringt. Sicher kann er nicht mit den „besten“ Rieslingen des Jahrgangs in Deutschland oder auch bei Korrell selber mithalten, aber das ist nicht der Punkt. Hier ist ein Wein mit viel Charakter und einer tollen Harmonie, der verdammt leicht zu trinken ist, ja gefährlich leicht die Kehle herunter fließt.

Bei der ersten Begegnung mit dem Wein im Weingut konnte ich nur einen Schluck zu mir nehmen, um fast 30 Weine konzentriert zu kosten, aber das zweite Mal bin ich ihm zuhause mit meiner Frau begegnet, und wir haben nach der Verkostung die Flasche geleert. Das ist für uns ein wichtiges Kriterium, das erstaunlich viele teure, prätentiöse Weine nicht erfüllen. Zum Wohl!

Weingut Korrell (Johanneshof)
Parkstrasse 4
D 55545 Bad Kreuznach-Bosenheim/Nahe
Tel: +49 (0) 671 / 6 36 30
E-Mail: weingut@korrell.com
Internet: www.korrell.com


Weingut: Weingut Korrell (Johanneshof)

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Weintelegramm 77

Einer meiner Kollegen hat neulich verkündet, Deutschland brauche neue Winzer -als ob die Etablierten plötzlich nichts mehr taugten- und er würde zukünftig nur noch über unentdeckte junge Talente berichten. +++ Heldenhaft, aber leider viel zu spät! +++ Seit Anfang des Jahrzehnts haben manche deutschen Weinjournalisten (Paradebeispiel: Manfred Lüer) ständig nach neuen Talenten gesucht und ausführlich über sie berichtet. +++ Ich habe die deutschen Jungwinzer erst recht spät entdeckt, aber seit Herbst 2003 bin ich endlich auch dran, und viel Platz in meinem gerade erschienenen KLEINEN GENIALEN WEINFÜHRER 2010 (kurz: KGW) nehmen Jungwinzer-Entdeckungen ein. +++ Da brachten meine zwei Semester auf der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim/Rheingau reichhaltigen Stoff, ich habe eine Reihe junger Winzer(innen) kennengelernt, die weltoffen, kreativ und begabt sind. +++ Ihre Weine waren häufig überraschend stark, aber in vielen Fällen bin ich mir sicher, dass da in den nächsten Jahren noch viel mehr kommen wird. +++ Fast immer boten diese Weine auch ein sehr gutes bis bombastisches Preis-Leistungsverhältnis, und ich habe so viele wie möglich im KGW aufgenommen. +++ Dabei war es mir egal, dass etwa WEINGUT OTTO ZIMMER in Engelstadt/Rheinhessen völlig unbekannt in der Weinszene ist, oder Florian Mengel (Sohn des Hauses) noch ein wenig schüchtern wirkt. +++ Einige Otto-Zimmer-Weine, die ich verkostete, haben mich einfach begeistert und waren für die Qualität erstaunlich günstig. +++ Bitte mich nicht für misanthropisch halten, aber ein guter Teil der Weinszene verlangt ein Schauspiel, in dem die Hauptfigur ein wortgewandter, erwachsener Mann ist (der geniale Winzer betritt die Bühne!), bevor sie bereit ist, zu loben. +++ Frauen sind dort bestenfalls “charmant” und junge Menschen grundsätzlich “Anfänger”. +++ Abgesehen davon, dass diese Haltung diskriminierend und sexistisch ist, passt sie auch nicht zu unserer gegenwärtigen Wein-Republik. +++ Ich feiere gerne die guten deutschen Weine im neuen KGW, von jungen und alten Winzern, bekannten und unbekannten!

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Weintelegramm 76

Es kommt mir vor wie ein Wunder. +++ Gestern habe ich zusammen mit meinem Freund Helmut Reh aus Regensburg die Arbeit in „meinem“ Weinberg im fränkischen Taubertal abgeschlossen; jetzt bleibt nur noch die Lese! +++ Als ich am 31. Januar bei minus 2 Grad Celsius an dem 68% steilen Hang mit dem Rebschnitt begann, habe ich nicht so richtig geglaubt, dass ich es als Anfänger so weit bringen würde. +++ Gestern haben Helmut und ich bei 32°C mit der großen Laubschere „gegipfelt“ bzw. die Triebspitzen abgeschnitten, um den Reben zu signalisieren, dass sie jetzt Zucker und Aromastoffe in die Trauben einlagern sollen. +++Außerdem leider notwendig: die Entfernung von mit Peronospera (Fachbegriff für falschen Mehltau) infiziertem Laub. +++ Dazu kam ein „Fine Tuning“, das heißt wir haben dafür gesorgt, dass jede der Müller-Thurgau-Trauben frei und locker hängt, ohne der Sonne ausgeliefert zu sein. +++ Ziel ist dabei, die Gefahr von Botrytis (Fachbegriff für Graufäule/Edelfäule) möglichst weit herunterzuschrauben. +++ Edelfäule wäre positiv, wenn ich vorhätte, einen süßen Wein zu erzeugen, aber ich will unbedingt einen ganz trockenen Weißwein. +++ In den letzten Tagen ist auch der neue (überirdische) Keller vom Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken fast fertig geworden, bei dem ich mit meinem Weinbauexperiment untergekommen bin. +++ Mit welcher Geschwindigkeit Christian Stahl den Bau seines „Stahlwerks“ vorangetrieben hat, erscheint mir auch wie ein Wunder. +++ In vielleicht schon fünf Wochen werde ich dort meine Trauben keltern, und die nächste Phase des Experiments wird anlaufen. +++ Beim Abendessen in der Vinothek des Hotel Viktoria in Bad Mergentheim (tolles Kotelett vom schwäbisch-hällischen Schwein!) gab es gestern noch ein Wunder. +++ Horst Sauer vom gleichnamigen Weingut in Escherndorf/Franken – Leitfigur des Aufschwungs im Weinanbaugebiet Franken – hat angeboten, mir bei der Lese zu helfen ! +++ Lieber Telegramm-Empfänger, ich wünsche Ihnen das Gleiche positive Karma, das mich die letzten Tage beim Arbeiten und Saufen begleitet hat, und das in uneingeschränkter Menge!

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