Wein des Monats – März 2010

Silvaner trocken
2009 SILVANER TROCKEN F, € 7,90 von Weingut Zimmer Mengel

Nicht nur herrschte auf der zwölften Langen Nacht des Deutschen Weins mit der Jungwinzergruppe JAM SESSION am 20. Februar in Berlin-Prenzlauer Berg eine geniale Stimmung, sondern der Abend bot mir auch die Chance festzustellen, wie schnell manche Mitglieder der Gruppe sich entwickeln. Die Überraschung war besonders groß, als ich die ersten Weine von Fabian Mengel verkostete: sein 2009 SILVANER TROCKEN F war eindeutig ein Hit.

Endlich habe ich den Wein wieder – dieses Mal in etwas nüchternerem Zustand zu Hause – verkostet und bin genauso begeistert wie auf der Langen Nacht. Er duftet nach getrockneten Birnen, wirkt aber auch würzig und balsamisch, bzw. ist nicht einfach nur von reifen Fruchtnoten dominiert, sondern ein komplexes Gebilde, in dem Hell und Dunkel ständig changieren. Der konzentrierte, geschmeidige und doch lebhafte Geschmack passt bestens dazu, und der Nachhall ist fast absurd lang für € 7,90 die Flasche.

Als ich JAM SESSION am 4. November 2008 in einer piefige Studenten-WG in Geisenheim erstmals kennenlernte, war Fabian Mengel eine der ruhigsten und unscheinbarsten Gestalten in der Runde. Erst während der folgenden Monate stellte ich nach und nach fest, wie sehr er sich über alles im Vorlesungssaal und am Verkostungstisch Gedanken machte. Jetzt hat er vor Abschluss seines Studiums einen großartigen trockenen Weißwein aus der in Rheinhessen immer noch unterschätzen Sorte Silvaner erzeugt.

Aus unerklärlichen Gründen – oder ist es einfach ohne jeglichen Gründe? – lehnt der VDP Rheinhessen die Erzeugung von Großen Gewächsen aus Silvaner ab. Das ist die dunkle Seite. Doch es gibt auch eine helle: damit schaffen sie Freiraum für ehrgeizige junge Winzer, und der wird genutzt!

Weingut Zimmer Mengel
Im Adelpfad 1
D-55270 Engelstadt/Rheinhessen
Tel.: 06130 / 17 88
Fax: 0 61 30/77 70

Weingut: Weingut Zimmer Mengel

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Weintelegramm 98

Für Gerrit Walter vom WEINGUT WALTER IN BRIEDEL/MOSEL blockierte Schwefel etwas die Nase. Das stimmte, da mein Wein gerade zehn Milligramm pro Liter mehr Schwefel bekommen hatte. +++ Ich stand mit den Mitgliedern der neue Jungwinzergruppe JAM SESSION, bzw. meinen Studentenfreunden von der Fachhochschule für Wein in Geisenheim/Rheingau, in der modernistischen Probierstube des WINZERHOFS STAHL in Auernhofen/Franken und wollte wissen, was sie von meinem trockenen Müller-Thurgau aus dem Taubertal hielten. +++ Als nächster sprach Johannes Sinß vom WEINGUT RUDOLF SINSS in Windesheim/Nahe: „Viel, viel Power, man denkt es wird Alkohol kommen, aber er kommt nicht, die Säure ist noch sehr präsent.“ +++ Keiner meiner jungen Freunde fügte dieser Analyse etwas zu, die in ihrer Genauigkeit ganz typisch für Johannes war. +++ Ich war ein Moment lang überaus erfreut – ich meine, ich bin wirklich kein Winzer und trockener Müller-Thurgau mit über 14 Volumenprozent Alkohol ist schon ein seltene und tückische Disziplin! +++ Schon bevor mein Wein ins Glas kam, herrschte ein Hochgefühl im Raum, dank der drei 2009er trockenen Müller-Thurgau von Christian Stahl und der davor liegenden Verkostungen in Franken und beim WEINGUT BENZ in Badische Taubertal. +++ Der Tag fing im WEINGUT JULIUSSPITAL in Würzburg an (mehr zu den Weinen in meiner Kolumne in die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 8. März), wo Direktor Horst Kolesch uns fast dreieinhalb Stunden seiner Zeit widmete, um eine Einführung samt Tour und Verkostung auf höchstem fachlichem Niveau zu halten. +++ Dann waren wir bei HORST SAUER in Escherndorf, wo die trockenen 2009er Kabinett-Weine ein neues Kapitel in der Betriebsgeschichte darstellen. +++ Mit nur zwölf Volumenprozent Alkohol und betonter Säure liegen sie weitab vom üblichen Geschmacksbild der fränkischen 2009er (13 Prozent plus und sanfte Säure sind hier ganz normal). +++ Da sehe ich eine Kontroverse im Anmarsch. +++ Am Vortag waren wir beim WEINGUT FÜRST in Bürgstadt, wo Paul Fürst uns nicht nur eine Reihe sensationell seidig-strahlender Spätburgunder- und Frühburgunder-Rotweine zeigte, sondern auch unser Wissen über Maischegärung einen große Sprung nach vorn brachte. +++ Vorgestern in Berlin fand die LANGE NACHT DES DEUTSCHEN WEINS XIII statt, auf der mein Partner in dieser Sache, Roy Metzdorf von Restaurant Weinstein in Berlin-Prenzlauer Berg, mich korrigieren musste: Es war doch erst das zwölfte Mal! +++ Das machte aber nichts, weil die Weine von Jam Session und die geniale Küche von Weinstein für eine geniale Stimmung sorgten. +++ Als Wein-Theaterstück (eine Tradition bei der lange Nacht) gab es ein Spiel, bei dem ich gegen einen Herausforderer, den Gastronom Roderick von Berlepsch aus Hannover, antreten musste. +++ Bei „Schlag den Pigott“ gab es vier Aufgaben, und ich bin bei zwei ziemlich gescheitert, weil Roderick einfach viel schneller war. +++ Die letzte Aufgabe war das Abfüllen, Verschließen, Etikettieren und Verpacken von sechs Flaschen in einem PTZ-Karton, und mein Ergebnis sah zumindest überzeugend aus. +++ Diese Aufgabe muss ich Ende März im Winzerhof Stahl in echt machen, allerdings mit der sechzigfachen Menge: Unmittelbar nach der ProWein-Messe in Düsseldorf wird mein Wein abgefüllt.

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Weintelegramm 97

Über die Bedeutung des Zeitraums vom einen Jahrhundert habe ich die letzten Tage viel nachgedacht, weil Anfang Mai meine Oma mütterlicherseits hundert wird und ich vor wenigen Tagen hundert Jahrgänge Riesling der Staatsweingüter Kloster Eberbach/Rheingau verkostet habe. +++ „Ich will Weine machen wie vor hundert Jahren!“, habe ich von zahlreichen Jungwinzern und älteren Winzern gehört, die jung im Kopf geblieben sind. +++ Dabei war es mir immer klar, dass „vor hundert Jahren“ uns in die eher unbedenkliche Zeit vor 1914 versetzt, vor den großen deutschen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. +++ Hundert ist aber auch eine magische Zahl, die eine Art heile Welt verspricht, in der alles noch sauber und in Ordnung war, obwohl damals in der Weinszene große Kontroversen tobten. +++ Hinzu kommt die Tatsache, dass man oft gar nicht weiß, wie die Weine vor hundert Jahren schmeckten. Ich habe zum Beispiel nie von solchen Flaschen aus Hohen-Sülzen/Rheinhessen oder Winningen/Terrassenmosel gehört, geschweige denn sie getrunken. +++ Denn da gab es keine preußische Staatsdomänen, wo Flaschen systematisch weggelegt wurden wie in Kloster Eberbach zwischen 1866 und 1945. +++ Außerdem hatten Hohen-Sülzen und Winningen das Pech, ab 1945 Teil der französischen Besatzungszone zu sein, wo völkerrechtswidrig in großem Maß (nicht nur) Wein geplündert wurde, in Gegensatz zur amerikanischen Besatzungszone, in der Kloster Eberbach lag. +++ Alle diese Tatsachen und die Begeisterung für die Idee „100 Jahrgänge Riesling“ des Tre-Torri-Verlagschefs Ralf Frenzel und des Direktors der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach ermöglichten einen einmaligen Moment in meinen Leben. +++ Vor mir auf dem Tisch standen trockene Rieslinge aus den Jahrgängen ’09, ’07, ’06, ’05, ’02, ’01, ’00, ’99, ’98, ’97, ’96, ’95, ’93 und ’92, womit ich nicht nur Weine aus die uns vertrauten Jahrgänge meine, sondern eine Reihe, die mit 1909 anfing und mit 1892 aufhörte! +++ Meine Oma wurde 1910 geboren und damit stammten sämtliche diese Weine aus einer Welt, die für mich nur als geschriebene und archivierte Geschichte existiert. +++ Es war am Vormittag des zweiten Tags der Verkostung, und wir saßen im Mönchsrefektorium, rechts von mir eine nicht weniger erstaunte Jancis Robinson (siehe www.jancisrobinson.com). +++ Das Interessante war aber nicht alleine diese Situation, sondern wie diese Weine schmeckten. +++ Natürlich schmeckten sie gereift, aber sie wurden uns blind serviert, und ich war nicht der einzige unter den Anwesenden, der ihr Alter um einige Jahrzehnte unterschätzte, so vital präsentierten sich die meisten von ihnen. +++ Mit vollem Körper (12,5% – 13,5% Alkoholgehalt) und einer ordentlichen Menge Gerbstoff waren sie ausgestattet, die besten wiesen aber auch eine reife Säure auf, bzw. sie hatten eine Balance, die durchaus mit den heutigen Ersten Gewächsen des Rheingaus und den Großen Gewächsen anderer Gebiete vergleichbar ist! +++ Eins jedoch fehlte: jeglicher Anflug des heute oft geschätzten „Sponti“-Aromas, bzw. sulfidische Aromen von der „Spontangärung“ mit „wilden Hefen“. +++ Offensichtlich war man damals bedacht, diese Note zu vermeiden oder zu minimieren, bzw. es ist eine Firnis, die wir auf die Weinen dieser Vergangenheit projizieren! +++ Stattdessen gab es Noten von getrockneten Aprikosen, Birnen und Zitronat, Gewürzen, getrockneten Kräutern, sowie Nüssen, Karamell und Rauch. +++ Überraschend saftig und kräftig mit lang anhaltendem Finale schmeckten Jahrgänge wie 1899 und ’93. +++ Ich habe Geschichte getrunken, und sie schmeckte keinesfalls nach Staub, sondern nach verdammt gutem Handwerk und enormem Ehrgeiz. +++ Es tut mir leid, dies nur in dieser Form teilen zu können. +++ Viele Jungwinzer hätten da viel gelernt über die Wahrheit im Wein vor hundert und mehr Jahren!

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Weintelegramm 96

Endlich wieder zu Hause nach einer anstrengenden aber spannenden Woche unterwegs in Sachen Wein. +++ Erste Station war Stuttgart und Umgebung, bzw. Württemberg, wo es eine tolle aber viel zu wenig bekannte Dynamik gibt. +++ Ich habe etwa 400 Weine verkostet, darunter eine Fülle von guten und großartigen Gewächsen und nur wenige schwache oder doofe Weine. +++ Auch wenn manche Journalisten eine Abneigung gegenüber dem Thema Württemberg zeigen, gibt es andere Gründe, warum der Qualitätssprung und der neue Innovationsdrang des Gebiets so unbekannt sind. +++ „Sie müssen mit Ihrem britischen Kollegen Oz Clarke sprechen und ihn dazu bewegen, mehr über unsere schwäbischen Weine zu schreiben“, sagte mir ein älterer Herr am Sonntagnachmittag während des Fellbacher Weintreffs, einer großen öffentlichen Weinmesse. +++ „Es ist nicht mein Job, meinen Kollegen zu sagen, was sie zu denken oder zu tun haben“, antwortete ich. „Rufen Sie ihn selber an!“, worauf der Herr schlagartig flüchtete. +++ Warum dieser fehlende Mut, die Sache direkt anzupacken, und der Glaube, alles müsse hinter den Kulissen geregelt werden? +++ Erst viel später fiel mir auf, wie dieses Gespräch einen Teil des schwäbischen Weinproblems erklärt. +++ Prinzipiell habe ich nichts gegen die kuschelige Wir-Schwaben-unter-uns-Haltung, aber wenn der Direktor einer der führenden Winzergenossenschaften unweit von Stuttgart ernsthaft meint, der Hauptmarkt für württembergische Weine in Berlin seien die Exil-Schwaben, dann rutscht das ins Negative ab.+++ Warum diese Selbsteinschränkung, warum sowenig Vertrauen in das Durchsetzungsvermögen der eigenen Weine in direkter Konkurrenz mit anderen Produkten ? +++ Der Witz ist, dass die Weine dieser Winzergenossenschaft im Berliner Markt im Bereich fünf bis zehn Euro eine unschlagbare Preis-Leistung darstellen! +++ Gestern und Vorgestern im Rheingau sah dann alles ganz anders aus, ja fast konträr. +++ Auch dort gab es in den letzten Jahren einen Qualitätssprung, und das Gebiet ist auf ähnliche Weise wie der Süden Württembergs heute wesentlich dynamischer als in den 1990er- Jahren. +++ Dieser Botschaft will man – selbstverständlich! – in die große weite Welt tragen und glaubt hundertprozentig an die Durchsetzungskraft der neuen Weine +++ auf der 100 Jahrgänge Riesling-Veranstaltung vom Tre Torri Verlag und dem Hessischen Staatsweingut Kloster Eberbach hat man sich nicht gescheut, die Ersten Gewächse aus 2009, 2008 und 2007 mit den besten trockenen Rieslingen aus 1949, 1947 und 1945 zu vergleichen +++ das funktionierte auch gut (mehr darüber später), trotz des erheblichen Altersunterschieds +++ wieso ? +++ Kloster Eberbach ist Zeugnis der Rheingauer Weinkultur aus dem 12. Jahrhundert, seine Schatzkammer reicht etwa drei Jahrhunderte zurück, die Grundzüge der heutigen Vorstellung vom hochwertigen Riesling im Gebiet gehen auf rund zwei Jahrhunderte zurück, wie bei Goethe nachzulesen ist und alldem wird jetzt neues Leben und eine zeitgemäße Form verliehen +++ der Witz hier ist, dass zur zeit zwei Schwaben diese Arbeit machen; Staatsweingüter Direktor Dieter Greiner stammt aus Schnait im Remstal und Kellermeister Ralf Bengel aus Heilbronn!

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Weintelegramm 95

Letzte Woche habe ich zwei extreme Tage im Stuttgarter Raum verbracht. +++ Nichts gegen das gute Sauerkraut von Hengstenberg, aber das Schönste an Esslingen sind die Weine von Hans und Monika Kusterer. +++ Sie haben gerade die besten Rotweine der Bertiebsgeschichte abgefüllt. +++ Fein und konzentriert zugleich sind ihre 2007 SPÄTBURGUNDER ZWEIGELT, MERLOT und CUVEE MELAC +++ Unverständlich, wie manche Esslinger versuchen, den Kellerneubau von H&M Kusterer zu blockieren. +++ Es handelt sich um eine eindeutig anspruchsvollere Architektur wie beispielsweise beim „Das ES“, das Einkaufszentrum, wo das anderen H&M zu Hause ist. ++++ Freitags habe ich dann im Remstal etwa hundert Weine verkostet. +++ Es bedeutet eine gewaltige Anstrengung, die Konzentration so lange aufrecht zu erhalten, damit man auch den letzten Weinen der Probe gerecht wird. +++ Einige spannenden Neuigkeiten waren darunter, wie der üppig-geschmeidige 2008 SPÄTBURGUNDER SL von Sven Ellwanger – ein strahlendes Kraftpaket. +++ Am Wochenende war ich bei Fellbacher Weintreff in der Alten Kelter, wo ich die Remstal-Recherche vertiefen konnte. +++ Zwischendurch habe ich mich in Stuttgart in der Weinhandlung Kreis mit Michael Mondavi getroffen. +++ Der Sohn der kalifornischen Weinlegende Robert Mondavi hat nach dem Verkauf seiner Familienfirma 2003 sein eigenes Weingut gegründet. +++ Mehr über den imposanten 2006 M Cabernet Ende im März unmittelbar vor seiner Markteinführung. +++ Zum Vergleich hat Mondavi den 2006 Chateau Margaux („Der“ Margaux) mitgebracht. +++ Sicher ein eleganter, roter Bordeaux, aber wie viel hundert Euro kostet er?

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Wein des Monats – Februar 2010

Secco weiß
2009 „prickelnd!“, € 6,50 von Winzerhof Stahl

Die allermeisten 2009er sind noch nicht auf der Flasche, und das ist gut so, weil sie unbedingt weitere Fasslagerung brauchen. Mein Wein gehört auch dazu, er wird voraussichtlich erst am 24. März im „Stahlwerk“ (dem neuen Keller) von Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken auf die Flasche kommen. Doch es gibt bereits einen 2009er von Christian Stahl, und er präsentiert sich überraschend gut, nein, er schmeckt wunderbar: sein gerade abgefüllter Secco „prickelnd!“

Seinen überschwänglichen Duft haben wir gestern Abend genau studiert und direkt mit Obst und Gewürzen aus unseren Vorräten verglichen. Die Hauptfruchtnote ist Melone, ja da ist Melonenwahnsinn drin, aber auch viel frisches Zitronengras. Glücklicherweise ist er ein wenig gezügelter und dezenter auf der Zunge, sonst könnte man meinen, es handele sich um wahres Rauschgift! Die Perlen wirken sehr fein, fast wie bei einem teuren Flaschengärungssekt, statt einem Secco für € 6,50.

Dieses kleine Erfrischungswunder besteht zu 100 Prozent aus Bacchus-Trauben aus der Lage Hasennest, wo auch mein Wein gewachsen ist, und zeigt die lebendige, leichtfüßige Seite des neuen Jahrgangs. Es zeichnet sich aber schon ab, dass diese Seite nicht so häufig anzutreffen sein wird wie die üppige, mächtige Seite.

„prickelnd!“ habe ich aber nicht nur analysiert. Beim letzten Besuch in Auernhofen haben wir den tollen Thriller „Zwielicht“ mit Richard Gere angeschaut, und dabei ist eine Flasche so locker unseren Kehlen hinabgeflossen wie die Flut auf den Strand zieht. Normalerweise richten solche extrem jungen Weine bei mir einen ziemlichen Schaden an am nächsten Morgen, aber dieses Mal fühlte ich mich wie frisch im Meer gebadet.

Weingut: Winzerhof Stahl, Lange Dorfstraße 21, D-97215 Auernhofen

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Weintelegramm 94

In wenigen Tagen wird meine Mutter 75, drei Monate später wird meine Oma 100, dann werde ich 50. +++ Unsere Gesichtszüge sind sehr ähnlich und psychologisch sind wir aus dem gleichen Holz geschnitzt. +++ In punkto Kreativität gleiche ich aber eher meinem im letzten September verstorbenem Onkel, dem Uhrenmacher Derek Pratt. ++++ Diese ganzen Geburtstage, sein Tod und der Abschluss meiner Trilogie zum Thema Wein und Globalisierung mit der Erscheinung von WEIN WEIT WEG kommen mir wie ein Schnitt im Leben vor. +++ Auch die große Welt macht einen Umbruch durch, und diese großen und kleinen Verwandlungen scheinen mir ineinander verzahnt zu sein. +++ In der nächsten Ausgabe der Gastrozeitschrift EFFILEE erscheint Ende Februar mein wahrscheinlich bisher gewagtester Zeitschriftenbericht. +++ Thema ist Eldon Nygaards WILD-GRAPE-Rotwein aus Süd-Dakota/USA (siehe vorletztes Kapitel in WILDER WEIN), eines der erstaunlichsten Gewächse auf Planet Wein. +++ Eigentlich geht es um interkulturelle Kommunikation sowie die Grenzen zwischen Rational/Irrational und Kausalität/Zufall; Themen, die mich während der zehnjährigen Arbeit an meiner Globalisierungs-Trilogie beschäftigten. +++ Im März fahre ich nach Chile, ein Land, das ich lange auf keinen Fall besuchen wollte, weil ich dort auf der menschlichen Ebene keine Spannung erkennen konnte, außer zwischen reichen Winzern und ihren armen Arbeitern. +++ Aber dann hat mich Prof. Hans R. Schulz, Direktor der Forschungsanstalt für Weinbau in Geisenheim, überzeugt, dass in der südlichen Hemisphäre Chile und Argentinien die einzigen Gewinner bei der Klimaveränderung sein werden. +++ Südamerika erstreckt sich weit genug in Richtung Südpol, dass der Weinbau sich weiter nach Süden ausdehnen kann, während in Afrika und Australien längst die jeweils südlichen Spitzen der Kontinente erreicht sind. +++ Fast zeitgleich erfuhr ich von der heftigen Kritik mancher meiner britischen Kollegen an den Rotweinen Eduardo Chadwicks (Errázuriz & Caliterra); ihnen passt es nicht, dass ein chilenischer Winzer die Spitzengewächse von Bordeaux übertrifft. +++ Ihre emotionale Haltung kann man auf drei Worte reduzieren, obgleich selbst die wegen der enormen Kaufkraft und Bordeaux-Begeisterung in China und anderen Entwicklungsländern Blödsinn sind: »Unsere heiligen Weine!« +++ Jetzt glaube ich, dass dank Globalisierung alle Orte Sprengstoff für Gonzo-Journalismus bieten, weil die Spannungen unserer Welt überall zu entdecken sind. +++ Aufgabe eines Journalist ist, sie in lesbare Form zu bringen, nach der alten Devise: »The pen is mightier than the sword«. +++ Allen elektronischen Medien zum Trotz will die Wahrheit geschrieben werden, und sie ist viel erstaunlicher, als wir alle denken. +++ Um sie zu schreiben, muss man sich ihr öffnen, Intuition, Mitgefühl und logisches Denken schärfen. +++ Mit etwas Staunen stellte ich in den letzten Jahre fest, dass meine Erziehung mich ganz gut auf diese Aufgabe vorbereitet hat. +++ Danke Omi, danke Mutti und danke Derek für alles, was ihr mir wissend und unwissentlich gegeben habt. +++ Vieles davon ist das wichtigste in meinem Koffer!

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Weintelegramm 93

Gestern Nachmittag als ich am Verkostungstisch im Winzerhof Stahl in Auernhofen/Franken saß, fing es an zu schneien. +++ Das erinnerte mich an den Rebschnitt der zehn Zeilen, die ich vor fast genau einem Jahr von Christian und Simone Stahl gepachtet habe. +++ Den größten Teil dieser Rebschnitt-Arbeit habe ich im Schneesturm erledigt. Es war ein Vorgeschmack auf die harte Arbeit im 68 Prozent steilen Hang der Lage Hasennest im Taubertal, die mit der Lese am 30. September 2009 endete. +++ Gestern bin ich nach Auernhofen gekommen, um das fast fertige Produkt zu kosten und die letzten Entscheidungen zu treffen. +++ Wie bei jeder Probe meines Weins habe ich zuerst mit Christian seine 2009er Weine gekostet. +++ Sie sind echte Fruchtbomben, ja Wasserstoff-Fruchtbomben mit immenser Strahlkraft. +++ Ich glaube, sie werden etliche behäbige 2009er Frankenwein-Klotze (im Bocksbeutel!) abblitzen lassen, wenn sie (ab Freitag 2. April) rauskommen. +++ „Was hälst Du von dem?“, fragte mich Christian, nachdem er die zehnte Probe aus einer Steigerwald Medium Mineralwasserflasche in meinem hocheleganten Zalto-Verkostungsglas einschenkte (dieser Kontrast war klassisch Stahl!). +++ „Geiler Duft“, habe ich geantwortet. +++ „Das ist Dein Wein!“, antwortete Stahl. +++ Bei näherem Geschmacks-Studium fiel mir der recht heftige Hefeton auf, der die tropische Fruchtaromen etwas zudeckt. +++ Das darf nicht extremer werden, und deshalb beschloss ich, dass der Wein diese Woche filtriert wird. +++ Damit fängt die letzte Phase der Fassreife an. +++ Danach gibt es nur noch die Abfüllung Ende März.+++ Das erste Mal wird der Wein bei der kulinarische Jungweinprobe am Samstag, den 9. April, im Winzerhof Stahl zu erleben sein (Anmeldung unter mail@winzerhof-stahl.de). +++ Dann kommt er unter Verschluss, bis zur offiziellen Freigabe am 1. September, zeitgleich mit den Großen Gewächsen der VDP-Güter. +++ Dann werden wir sehen, welche Wänden wackeln …

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Weintelegramm 92

EINLADUNG ZUR “LANGEN NACHT DES DEUTSCHEN WEINS” AM 20.02.2010

Zum 13. Mal findet die “Lange Nacht des Deutschen Weins” statt. Dieses Mal unter dem Motto “Studentenparty in Berlin”

Vor 18 Monaten lernten sie sich bei einer Weinverkostung in einer piefigen Studenten-WG kennen: der britische Weinjournalist und -autor Stuart Pigott und eine bunte Gruppe Jungwinzer, die alle auf der renommierten Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim/Rheingau studierten. Sie haben sich auf Anhieb verstanden und trafen sich nun häufig während des Studiums, – denn auch Pigott studierte zwei Semester in Geisenheim – um gemeinschaftlich Wein zu verkosten und zu trinken. Jetzt laden sie zu einer wohltätigen Weinparty in Berlin ein.

Am Samstag, den 20. Februar ab 19.00 Uhr
findet im Gewölbekeller der Weinhandlung Weinstein unter der Alten Mälzerei, Saarbrücker Straße 20/21, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg zum dreizehnten Mal DIE LANGE NACHT DES DEUTSCHEN WEINS statt. Dieses Jahr feiert Stuart Pigott mit dieser ungewöhnlichen Jungwinzergruppe aus einem ungarischen und vier deutschen Weinbaugebieten, die zum allerersten Mal gemeinschaftlich ihre Weine präsentieren. “JAM SESSION” feiert Premiere in Berlin!

Wein hilft in wahrsten Sinne des Wortes: Denn die Spenden kommen auch in diesem Jahr zu 100% dem HIV-/AIDS-Projekt HOPE in Kapstadt, Südafrika zugute.

Wie immer greift Stuart Pigott tief in seine private Schatzkammer. Neben einem edelsüßen Lorenzhöfer Riesling Auslese “Lange Goldkapsel” vom Weingut Karlsmühle (Mertesdorf/Mosel) aus dem Wiedervereinigungsjahr 1990 schenkt er eine Reihe moderner Weinlegenden aus, wie den 2001er Hermannshöhle Riesling Spätlese trocken vom Weingut Dönnhoff (Oberhausen/Nahe) und den 2003er Grauburgunder Spätlese trocken vom Weingut Müller-Catoir (Neustadt-Haardt/Pfalz). Für die kulinarische Ergänzung zum Wein sorgt wie immer das Restaurant Weinstein Prenzlauer Berg (Lychener Straße 33, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg). Sie dürfen außerdem gespannt sein auf musikalische Überraschungen, sowie ein kleines Stück Studenten-Weintheater!

Karten und Preise:
Karten kosten ab Euro 60,- (Euro 30,- Kostenbeteiligung, zzgl. empfohlene Mindestspende Euro 30,-) und sind ausschließlich bei der Weinhandlung Weinstein (Tel. 030 – 44 05 06 55; Fax. 030 – 44 11 843; E-Mail: weinstein@weinstein.eu) erhältlich. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch ausgestellt.

Weitere Informationen zu “Wein hilft!” erhalten Sie bei Pauline Schneider
pauline.schneider@berlin.de
T. 030 – 885 4152
Presse-Kontakt Petra Lölsberg:
info@loelsberg-pr.de

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Weintelegramm 91

Gerade habe ich mit Staunen ein Interview mit Tyler Brûlé, Herausgeber der globalen Zeitschrift MONOCLE und Kolumnist der FINANCIAL TIMES (FT), in der aktuellen Ausgabe der ZEIT gelesen. +++ Seine FT-Kolumne heißt „Fast Lane“ (Überholspur), aber im Interview wirbt er für „slow media“, bzw. kritische Medien, die auf seriöse Recherche setzen. +++ Er hält die mediale Überflutung durch Internet, Blogs und Twitter für ein Riesenproblem: „Es gibt so viel Information, viel davon ungefiltert und ungesichert.“ +++ Das hat mich stark an meinen Vortrag auf der letztjährigen BDO-Tagung in Geisenheim (siehe „Directors Cut“) erinnert. +++ Seine Analyse der Gründe, bewegt sich sehr nahe an meiner eigenen Einschätzung der „Hysterie, hip und modisch und jugendlich wirken zu wollen“. +++ Für ihn ist twittern nur wirklich in Situationen wie im Iran nach den gefälschten Wahlen sinnvoll, als damit ein Untergrund-Kommunikationsnetz geschaffen wurde. +++ Dieser Gedanke erinnert mich stark an Roger Cohens New TWEETS, OLD NEEDS-Kolumne in der INTERNATIONAL HERALD TRIBUNE vom 10. September letzten Jahres. +++ Cohen war letzten Juni aus Teheran eine sensationelle Berichterstattung gelungen, den besten Journalismus, den ich den letzten Jahren lesen konnte. +++ In seiner Kolumne denkt er über die damalige Situation aus der zeitliche und physische Distanz (sein Büro in New York) nach. +++ Er kommt zum Schluss, Twitter sei spitze, um Nachrichten eine rasante Verbreitung zu verschaffen, ist aber ein „Flut von Rohmaterial … Dagegen destilliert Journalismus. Es ist eine Auswahl von Materie.“ +++ Dann verbindet Cohen Aristoteles, der vor mehr als zwei Jahrtausende darauf bestand, dass ein Story, „einen Anfang, eine Mitte und eine Ende“ hat mit dem Prinzip der Recherche vor Ort, um seine Vorstellung von Journalismus auf dem Punkt zu bringen. +++ Das war exakt meiner Arbeitsweise für mein aktuelles Buch WEIN WEIT WEG! +++ Ich stimme Cohens Schluss: „die Welt verlangt die Wahrheit, wie es vor Ort gesehen und destilliert wurde“ entschieden zu. +++ Aber auch Brûlés Glauben, dass „im abgelaufenen Jahr ein großes Umdenken eingesetzt hat. An viele Orten rund um die Welt hat es eine Art Realitätskontrolle gegeben.“ +++ Auf Planet Wein fand, und findet weiter, dieses Prozess statt. +++ Mein gute Vorsatz für 2010 ist, einfach noch konsequenter diese Prinzipien treu zu bleiben.

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