Seahorse Winery, oder das ganz andere Israel zu Gast in Berlin von Frank Ebbinghaus

Da sitzt also eine satyrhafte Gestalt mitten auf dem Gehweg der Lychener Straße in Prenzlauer Berg, macht immer wieder Fahrradfahrern, Kinderwagenschieberinnen und -schiebern Platz und wirkt auch sonst wie aus Zeit und Raum gefallen. Ze’ev Dunie trägt Bart wie hier jeder Mann, nur ist seiner schlohweiß und umrahmt das Gesicht von Ohr zu Ohr, auch die Glatze wäre unter den coolen Pappies hier kaum auffällig, würden nicht von seinem Hinterhaupt strubbelige graue Locken wasserfallartig bis über den Kragen herabfallen. Ein wenig angespannt schaut er in die Runde der schlürfenden und spuckenden Weinexperten, die sich über seine Flaschen hermachen. Ze’ev selbst spuckt nicht, kann man sich bei ihm auch nicht vorstellen.Aber Ze’ev Dunie huldigt nicht nur Dionysos. Er ist in Berlin, der Heimat seines Vaters, um hier einen Roman zu schreiben. Und nur halblaut sagt er, wieviel es ihm bedeutet, ausgerechnet in Berlin seine Weine zeigen zu können.

Früher war er Filmregisseur. Früher heißt: Bis er vor einigen Jahren die Seahorse Winery in den Judean Mountains in Israel gründete. Stuart schrieb darüber, und zwar hier: http://www.stuartpigott.de/?s=seahorse

Jetzt sitzt er vor der Weinschenke Weinstein, um seine Weine vorzustellen. Vier hat er mitgebracht, viel mehr gibt es auch nicht. Denn die Seahorse Winery produziert insgesamt lediglich 25.000 Flaschen im Jahr. Die Probe kam durch die langjährige VDP-Geschäftsführerin Eva Raps zustande, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten Urban Kaufmann 2013 das Rheingauer Weingut Hans Lang in Eltville-Hattenheim übernahm (über die neuen Weine von Hans Lang werde ich später berichten). Die beiden Jungwinzer schlossen sich der deutsch-israelischen Partnerschaftsinitiative Twin Winery an und kamen mit Ze’ev Dunie zusammen.

Leider ist es nicht so, dass ich jeden Tag israelische Weine probiere. Eigentlich habe ich das noch nie getan. Ich habe nicht mal eine Vorstellung wie israelische Weine schmecken können und bin daher sehr erfreut, überrascht über die Kühle, Präzision und Sinnlichkeit dieser Weine.

Trotz bis zu 15% Alkohol geht ihnen jede Hitze oder Opulenz ab. Sie schmecken reif, aber auch kühl und fein. Die Weinberge liegen 700 Meter hoch, daher die Frische.

Der 2013 Chenin blanc „James“ besticht in der Nase mit Quitte, Birne und Bratapfel, am Gaumen spürt man fein das drei Jahre alte Holzfass, der Wein hat eine schöne Viskosität und Würze, schmeckt aber sehr frisch.

Der 2010 Antoine ist eine Rhone-Cuvée aus hauptsächlich Syrah mit Grenache und Mourvèdre, wobei Charakterkopf Ze’ev den Syrah in Barriques ausbaut, in denen zuvor Weißweine gelegen haben. Auch dieser Wein schmeckt kühl und komplex, nach roten Johannisbeeren,  Schattenmorellen und Pfeffer.

And now to something completly different: Der 2010 Lennon trägt eine Hommage nicht nur im Namen, sondern auch im Geschmack. Der Blend aus 75% Zinfandel, je 12,5% Petit Syrah und Mourvèdre erinnern an die großartigen Zinfandel-Weine von Ridge Vineyards (Cupertino/Kalifornien). Und er schmeckt auch ähnlich, trotz 15% Alk. gar nicht fett, sondern mit viel Blaubeer- und Kirschfrucht sehr konzentriert und bei aller Fülle wieder kühl und strukturiert. Vor Jahren hat Ze’ev gemeinsam mit dem legendären Winemaker von Ridge, Paul Draper, dessen Weine probieren können – eine Schule fürs Winzer-Leben.

Über den 2010 Elul sagt Ze’ev: „This wine ist the closest mainstream I can make“. Das liegt vor allem am dominierenden Cabernet Sauvignon, der dem Wein sein Cassis-Aroma verleiht. Aber hier ist wirklich nichts eindimensional, mainstreamig oder langweilig. Schwarze Schokolade, jodige Aromen und etwas Marzipan sorgen für einen faszinierend undurchsichtigen Geschmack, viel mürbes Tannin und eine elegante Säure kontern die feine Süße.

Später sitzen wir beim Essen zusammen. Gastgeber Roy Metzdorf hat eine Flasche 2009 Lytton Springs von Ridge blind serviert, die natürlich niemand erkennt. Aber Ze’evs Augen leuchten und  schwupp ist die Flasche leer.

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