Immer noch kaue ich auf den Eindrücken der letzten Wochen herum. +++ Seit langem gibt es eine Mode für sogenannten Vin Naturelle in Frankreich, womit (meist biodynamische) Weine mit minimalem oder gar keinem Schwefel gemeint sind, die dazu nur grob filtriert oder gar nicht filtriert wurden. +++ Unsere Tage in Kopenhagen Ende Februar und die Weinpräsentationen der letzten Wochenenden in Berlin haben bewiesen, dass es sich inzwischen um eine europaweite Bewegung handelt! +++ Nichts gegen Minimalismus im Keller – so bin mit meinen eignen Wein verfahren – aber ich glaube trotzdem noch an das alte kellerwirtschaftliche Prinzip: So wenig wie möglich, so viel wie nötig! +++ „Wenn die Natur den Wein beherrscht, erhält man Essig, und wenn der Mensch ihn beherrscht, ist das Ergebnis ziemlich uninteressant“, sagte mir einmal Francois Mitjavile von Tertre Rôteboeuf in St.Emilion. +++ Aber dank der Mode für Weine, die mehr oder weniger von der Natur beherrscht sind, werden Weine, die vorher als mangelhaft oder fehlerhaft eingestuft worden sind, nun über den grünen Klee gelobt. +++ Vielleicht haben wir in Deutschland viele Jahre, von Hygienewahn gepackt, die Sauberkeit des Weins zu eng definiert, aber es droht eine Situation, in der biodynamische Vins Naturelle grundsätzlich über jeder Kritik stehen. +++ Aus meiner Sicht wäre das eine gefährlich vereinfachte Welt, ja eine Art von Weinfaschismus, weil dann die ungeschwefelten, unfiltrierten und biodynamischen Weine pauschal als „Die Guten“ gelten würden, und alle andere Weine automatisch als suspekt, falsch, als „Die Schlechten“ da ständen. +++ Dann gibt es keinerlei fachliche Definition von Sauberkeit beim Wein mehr. +++ Es tut mir leid, aber wenn ein biodynamisch, ungeschwefelter und unfiltrierter Wein nach Hamsterkäfig riecht, müde, adstringent und uncharmant schmecken, bin ich schwer enttäuscht. +++ Ich bin vehement gegen die Verherrlichung von Unsauberkeit und Disharmonie. +++ Aber wenn ein Wein aus konventionellen Weinbau mit Reinzuchthefe vergoren wurde, eine vielschichtige Fruchtaromatik und stimmige Harmonie besitzt, dazu mineralisch-frisch wirkt bin ich begeistert. +++ Natürlich haben nicht alle neuen Modeweine mikrobiologische Beeinträchtigungen und sind auch nicht alle oxidiert. +++ Wie bei konventionellen Weinen gibt es Licht, Schatten und viele Schattierungen dazwischen. +++ Das ist der Grund, warum die WEINLAB 6 um 17 Uhr am Dienstag, den 6. April in Hammer´s Weinkostbar in die Körterstraße 20 in Berlin/Kreuzberg sich dem Thema „Weißwein anders“ widmet +++ Anmeldung unter info@hammers-wein.de+++ Neulich haben meiner Frau und ich uns eine Flasche 1999 TERTRE RÔTBOEUF aus dem Keller gegönnt, und wir waren wieder von Mitjaviles Kunst begeistert, genau den richtige Punkt zwischen der Bestimmung des Weins von Natur und Mensch, zwischen vernünftige Sauberkeit und radikale Eigenart, zu treffen. +++ In einem solchen Wein finden sich Sortencharakter, Terroir und die Handschrift des Winzers – das ist, wonach wir so lange in Deutschland gesucht haben, oder? – Und nicht nach Weinen, die fast wie Essig schmecken!