Um 15:30 Uhr am Samstag den 7. Januar ist es endlich so weit: die Erstausstrahlung von der 2. Staffel von “Weinwunder Deutschland” fängt in BR3 an. Wie in der 1. Staffel geht es um die dramatische Entwicklung des deutschen Weins seit der Jahrhundertwende. Jeder der 6 Folgen hat einen anderen Thema, aber immer mal stellen wir die gleichen Fragen: Was ist passiert ? Warum? Jedes mal versuchen wir diese ernsthafte Fragen auf möglichst unterhaltsame Weise mit möglichst tollen Bilder zu beantworten.
“On the road” mit Stuart Pigott:
Ein Erfahrungsbericht von Regisseur und Co-Autor Alexander Saran
Nach zwei Jahren intensivster Zusammenarbeit auf unseren Reisen zum deutschen Weinwunder, bat mich Stuart, ein paar Worte zu den Dreharbeiten aus Regisseurs-Perspektive zu schreiben – was mir als Fernseh-Fritze, der vor zwei Jahren noch nicht mehr vom Wein verstand, als dass man sich auch an ihm berauschen kann, wie die Aufnahme an Pigotts Tafelrunde erschien, der Ritterschlag. Nach Lage der Dinge am Ende der 2. Staffel war es aber wohl nur ein kleiner Schritt vom Fernsehen zum Wein – der Schritt zurück wird ungleich härter sein. Freudlos und trocken.
Als Stuart und ich erstmals im Frühjahr 2010 zum Drehbuchschreiben zusammen saßen und er mir geduldig die Grundprinzipien der Weinerzeugung aufmalte, merkte ich schnell, dass es mehr als genug Wissen und gute Geschichten zum Übermitteln gäbe – Sorgen machte mir eher die Bildebene: im Glas weiß oder rot, im Keller Edelstahl oder Holz, der Berg steil, hügelig oder flach. Mit diesen Grundmustern 6 Sendestunden ohne unendliche Wiederholungen bestreiten zu wollen, erschien mir eine echte Aufgabe.
Während wir uns in der ersten Staffel noch mit Zügen und Stuart-zieht-Rollkoffer-Bildern durchmogelten, haben wir in der 2. Staffel ein englisches Klappfahrrad aus dem Kreativ-Hütchen gezaubert, das einiges verbessert hat. Und bei genauem Hinsehen ist ja auch nicht jeder Keller, Weinberg oder Winzerhof gleich, von deutschen Landschaften ganz zu Schweigen. Als frei schaffender Diener vornehmlich beim Bayerischen Fernsehen ist ja die Tendenz der Reisen klar Richtung Süden: mit ganz großen Augen habe ich dann zum ersten Mal das Moseltal geschaut, oder den Mittelrhein – was für ein schönes deutsches Land! Auch beim Wein muss es ja nicht immer Italien sein.
Meinen ersten gefühlten Durchbruch bei Stuart hatte ich, als er mir beim Schreiben bescheinigte, mein Humor sei britischer als der Seine. Der zweite Durchbruch ließ dann leider ziemlich auf sich Warten. Bis er die fertigen Filme der ersten Staffel sah: dass da tatsächlich was rauskommt, wofür sich keiner schämen muss. Bis dahin haben wir zwei schon viel miteinander gerungen – richtig unangenehm wurde es meist, wenn er sprachlich ins Englische wechselte, dann war ziemlich schnell klar, ein Tiefausläufer von den Inseln nimmt Kurs auf mein Haupt.
Im Oktober 2010 las beim gemeinsamen Abendessen unser Kamera-Assistent und Allrounder Florian Bschorr vom Mobiltelefon aus „Planet Wine“ vor: Stuart fühle sich zunehmend wie Klaus Kinski und ich erschiene ihm als liebster Feind Werner Herzog. Den Vergleich empfand ich als ziemlich hoch gegriffen, war aber zumindest fassungslos bis Bschorr, vom Phänotypus her einer, mit dem man eher keinen groben Ärger haben will, Stuart darauf hinwies, dass die „Fitzcarraldo-Indianer“ damals Regisseur Herzog angeboten haben, Kinski für ihn zu meucheln. Stuart hat dann gleich noch eine gute Flasche ausgegeben.
Das 2. Jahr lief in allen Belangen besser. Ich hatte mehr Ahnung vom Wein und den Geschichten, die er schafft, wir waren eingespielter, mutiger und hatten dank der Experimentierfreude unserer Produktionsfirma megaherz sogar eine bessere Kamera (Sony F3 mit Festbrennweiten, d.h. eigentlich Full-HD, Kinoqualität; für die Zukunft gemacht), die in den Händen vom dreifachen deutschen Kamerapreisträger Sorin Dragoi ausgezeichnet aufgehoben war. Und wenn Stuart sein Fahrrad aufklappte, flogen uns noch ein paar Bilder fast zu.
Insgesamt darf ich sagen, dass die 2. Staffel in Erzählweise, Optik und Inhalt wesentlich „gereifter“ ist, als unsere Anfänge im Weinwunderland. Und inzwischen hatte sich unser kleines, erlesenes Team so ins Thema eingeschwenkt, dass wir selbst an Abenden ohne Winzer und Stuart am Tisch über Wein geredet haben – man sollte Tonmann Peter Wuchterl mal einen Spätburgunder im Glas beschreiben hören, ein fast erotisches Erlebnis. Wobei auf dem Weg zum halben Weinkenner ja ungezählte Stolpersteine warten, Blamagepotential: hoch. Korkschmecker als Prüfender mit großer Geste und vor versammelter Experten-Runde nicht erkennen; beim Schwenken das benachbarte Abendkleid einnässen; einen Riesling in der Nase für eine Aromasorte halten…
Der mögliche Eindruck, wir hätten uns auf den Drehreisen nur durch die besten Weine des Landes getrunken, ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Drehen bedeutet immer zuallererst: Arbeit. Konzentration. Disziplin. Kampf gegen Müdigkeit, das Wetter, Eitelkeiten, Egos, die Zeit. Sinne auf Hochtouren: Geschichten erkennen, Vertrauen schaffen, Bilder finden. Regie bedeutet: alltags den „Gute-Laune-Kasper“ geben, die vor der Kamera schützen, und minütlich Entscheidungen treffen. Nochmal drehen? Geht es besser? Was, wann, bei welchem Licht? Was braucht der „heilige Ingo“ im Schnitt? Der Gedanke an das volle Glas am Abend hat uns allerdings über so manchen harten Drehtag hinweg getragen.
Die herausragendste Erfahrung bei den Drehs zu Weinwunder Deutschland sei zuletzt erwähnt: die Persönlichkeiten unserer Gastgeber und Mitstreiter, der wenigen der unzähligen deutschen Spitzenwinzer, die wir besuchen durften. Ich war nicht nur von den Wahnsinns-Weinen und der Gastfreundschaft von Baden über die Pfalz, Rheinhessen, Mosel (auch Saar und Ruwer) und Franken bis nach Saale-Unstrut beeindruckt, sondern vielmehr auch von der Klugheit, Offenheit und Sensibilität unserer Gastgeber. Wenn mich seitdem jemand fragt, welchen Berufsstand ich besonders schätze, was natürlich eher selten vorkommt, lautet die nachdrückliche Antwort: Winzer. Wundervoller Beruf, sensitiv und erschaffend, öffentlich und verborgen, auch Demut fordernd: die Natur, die alte Wetterhexe, ist einfach größer. Ohr am Wetterdienst, Auge am Himmel. Viele Abende mit Winzern sind in meiner Erinnerung schon legendär.
Erwähnenswert finde ich noch, dass Stuart und ich – zwei ausgewiesene Perfektionisten und Sturschädel – uns nach 100 langen Tagen gemeinsam on the road besser verstehen als je zuvor. Darauf bin ich fast ein wenig stolz.
Vor mir liegt jetzt der harte Schritt wieder weg aus der großen Weinwelt. Ab und an kann wohl ein gebunkerter Riesling oder Spätburgunder über die Wehmut hinweg trösten, aber leicht wird es nicht. Vielleicht kennt ja jemand einen Winzerhof, der dringend einen knackigen Internet-Werbefilm benötigt? Ich bin bereit, Grundkenntnisse sind angeeignet, den Pigott-Stempel habe ich, und die Tagesgage lass ich wahrscheinlich eh gleich im Keller liegen.
In diesem Sinne: hoch die Tassen!
Alexander Saran
Wer die 2. Staffel bei der Erstausstrahlung immer Samstags, beginnend am 7.1. um 15.30 im Bayerischen Fernsehen nicht sehen kann, hat in der Zeit auch die Chance im Netz unter www.br.de und zuletzt in der DVD-Edition, die bereits am 17. Januar erscheint und unbedingt zu empfehlen ist. Die Themen:
7. Januar Schloss oder Schuppen – woher kommt der gute Wein
14. Januar Frankens neue Saftigkeit
21. Januar Jäger der verlorenen Schätze (vergessene Weinbergslagen)
28. Januar Spätburgunder – drei Farben Rot
4. Februar Im Osten viel neues
11. Februar Schaumwein – Kellergeister oder Edelperlen